Diesen Samstag, 29. Oktober, fand in Dresden wieder die Prager Nacht statt: Lesungen an ungewöhnlichen Orten. Unter anderem im Sächsischen Landtag, im Klärwerk Kaditz oder den Katakomben lasen Schauspieler aus Werken tschechischer Autoren.
Besonders im Klärwerk war es herb: nein nein, nicht im Personalgebäude oder so, im Zufluß des Neustädter Sammlers wurde Literatur zu Gehör gebracht! Den Geruch von Ungeklärtem eines ganzen Stadtteiles, der unter einem dahin fließt, darf sich jeder selbst ausmahlen. Bewundernswert, wie Marcus Born das den ganzen Abend lang ausgehalten hat. Ich lese selbst gern, aber die emotionalen Vorträge waren doch irgendwie etwas ganz anderes. Tiefen Eindruck hat bei mir der Besuch im ehemaligen Stasi-Knast hinterlassen. Albrecht Goette las aus Egon Erwin Kischs Text Vierzehn Dinge in Sing Sing (Reportage), mit Kühle und leicht ironischem Unterton ließ er einen den ganzen Wahnsinn dieses Gefängnisses mitten im Hudson spüren.
Am beeindruckendsten für mich war die Lesung im Jugendstilsalon der Villa Ginsberg. Roland Florstedt las einen Brief von Bedrich Smetana. Darin beschreibt Smetana sein Ertauben. Emotion und Gestus: es fühlte sich unglaublich authentisch an.
Für mich hat sich dieser Abend absolut gelohnt. Nächstes Jahr werde ich mich wieder vom Bus in neue Literatur-Welten fahren lassen. (swg)
[…] Von dem gab es aber erst in der Neustädter Markthalle etwas zu hören: Jaroslav HaÅ¡ek »Drei Mann und ein Hai«. Gelesen hat Renate Felber und mehr als einmal hat man im Publikum ein glucksendes Lachen gehört. Von ihr würde ich das eine oder andere Hörbuch gelesen haben wollen. Vor der Markthalle war ich noch in der Synagoge. Mit dem obligatorischen Papphütchen durfte ich eintreten. Ich war noch nie drinnen gewesen: Die Wände sehen innen aus, wie außen und sind kahl. Ein goldener Vorhang trennt den eigentlich Gebetsraum der Länge nach vom Eingang. Vorn steht über die gesamte Breite eine hölzerne Wand und davor ein Pult. Die Gläubigen nehmen wie in Christlichen Kirche auf Bänken Platz. Dort wurde von Roland Florstedt aus Egon Erwin Kisch’s »Den Golem Wiederzuerwecken« gelesen. Eine Suche nach den Überresten des Golems von Prag. Kischs Texte faszinieren mich irgendwie. Ich wüsste gern, ob es am Übersetzer oder ihm selbst liegt. Diesen hier werde ich hoffentlich mal auftreiben können. Den vom Text letzten Jahr »Vierzehn Dinge in Sing Sing« konnte ich mir nicht beschaffen. Zum Ablaufbecken hinterm Zwinger habe ich es leider nicht geschafft und so den zweiten Text von Kisch an diesem Abend verpasst. […]