Damit nicht noch jemand auf die Idee kommt, dass ich hier nur Urlaub mache (auch wenn das groesstenteils den Tatsachen entspricht), mal ein paar Worte ueber meine Uni.
Hier ein Bild der Smol’nij-Kathedrale. Die gesamte Anlage war urspruenglich ein Kloster, welches zwischen 1748 und 1835 im Auftrag der Zarin Elisabeth von Rastrelli (und Nachfolgern) erbaut wurde. Heute ist die Anlage ein Teil der St.Petersburger Universitaet und beherbergt drei Institute, darunter das fuer Russische Sprache und Kultur.
Da das Smol’nij-Kloster auch Anziehungspunkt fuer Touristen ist, ist der Platz davor schon morgens vor Unterrichtsbeginn von Reisebussen ueberfuellt und zumeist aeltere Semester stuermen mit Kamera und Digicam bewaffnet den Campus. Im morgentlichen Halbschlaf ist das allerdings eher nebensaechlich. Hauptsache man schafft den Slalom um die Souvenir-Verkaeufer, die jeden neu ankommenden Bus (also auch unseren) sofort belagern.
Nach dem Automatenkaffee, den man unbedingt mit Milch und OHNE Zucker ordern sollte, kanns dann auch mit dem Unterricht losgehen. Die Stunden beginnen meistens mit ’nem Bericht ueber unsere Aktivitaeten am Vortag und auch eine ausfuehrliche Beschreibung des Wetters darf nicht fehlen (Vokabeln muessen ja schliesslich geuebt werden!)
Apropo Wetter: selbst bei 30°C Aussentemperatur wird es drinnen meisst nicht waermer als 18°C. Liegt wohl an den alten Gebaeuden und daran, dass sich unser Klassenzimmer im Erdgeschoss befindet. Hin und wieder stellen wir sogar die Elektroheizung an. Es sei denn vor uns sind schon andere auf diese Idee gekommen – bei zu vielen im Haus angeschlossenen Geraeten faengt naemlich das Licht an zu flackern, und das ist auf die Dauer dann doch nerviger als die Kaelte! Es sind halt die kleinen Dinge, die einen immer wieder daran erinnern wo man eigentlich ist. ;-)
Was die Lehrerinnen betrifft, so sind eigentlich alle ganz vertraeglich – auch wenn das der ein oder andere nicht so sieht. Larisa, unsere Reading-Comprehension-Lady, beispielsweise macht gern Spaesschen auf Kosten einzelner Studenten, wobei da jeder mal drankommt. Unsere japanischen Mitstudenten vertragen das (nach eigener Aussage) nicht sehr gut, was zur Folge hat, dass sie dieser Stunde fernbleiben.
Der Rest findet es eher witzig. In einer der ersten Stunden wollte ich die Bedeutung des Wortes “Golowa” (russisch fuer “Kopf”) wissen, woraufhin sie jeden in der Klasse nacheinander fragte wo sein/ihr Kopf ist und die jeweilige Person mit beiden Zeigefingern auf seinen/ihren Kopf gezeigt hat. Ich hab allerdings ein paar Anlaeufe gebraucht bis ich nach Haaren, Ohren, Augen usw. endlich auf Kopf gekommen bin. Naja, jedenfalls hat sich das zu einer Art Ritual entwickelt. Sie fragt jetzt jede zweite Stunde die gesamte Klasse (mich natuerlich als Letzten) wo der Kopf ist…
Anna hat gestern allerdings auch mal wieder einen Lacher gelandet, nachdem sie auf die falsch verstandene Frage nach ihrem frueheren Lieblingsspielzeug erst mit “Brad Pitt” und dann mit “mein Vater” antwortete.
Was allerdings die Fonetik-Stunde angeht kann ich mir deren Nutzen nicht so recht erklaeren. Tatjana ist ‘ne russische Babuschka wie sie im Buche steht und quasselt von Anfang bis Ende der Stunde. Selbiges tut sie in einer Geschwindigkeit, dass kaum einer etwas versteht und ich glaube sie versucht auch hin und wieder witzig zu sein. Spaetestens dann sollte sie doch merken, dass sie den Alleinunterhalter spielt. Naja, sie macht fleissig weiter, schwitzt wie Ballack in der 120. Minute und erzaehlt uns seltsame Geschichten ueber Leute ohne Nasen (insofern ich dass letzten Freitag richtig verstanden habe). (Henner)
[…] Shon seit Wochen heiss diskutiert soll er morgen nun endlich beginnen: der G8 Summit 2006 in St. Petersburg. Und waehrend weltweit bereits diverse Aktionen zumeist globalisierungskritischer Gruppen stattgefunden haben und im Verlauf dieses Wochenendes stattfinden werden, versucht man hier in Petersburg ein Bild von Normalitaet und Alltag zu erzeugen. Ob es gelingen wird, dieses aufrecht zu erhalten wird sich in den naechsten Tagen zeigen. Groessere Demonstrationen wie in den Jahren zuvor sind in Russland allerdings nicht zu erwarten. Im gesamten Land sind in den letzten Wochen bereits viele Leute, die auch nur ansatzweise mit G8-feindlichen Aktionen oder Gruppen in Verbindung gebracht werden koennen, unter Arrest gestellt (Leiter der Anti-G8-Fahrradkarawane verhaftet) worden. Zahlreichen auslaendischen Aktivisten wurde von vornherein die Einreise verwaehrt (Telepolis & petersburg.aktuell.ru). Der Flughafen ist fuer die naechsten drei Tage fuer ankommende Fluege gesperrt und auch der oeffentliche Nahverkehr wird eingeschraenkt. Damit sich die Teilnehmer des G8 hier alles schön in Ruhe anschauen koennen werden Teile der Innenstadt zeitweilig ganz gesperrt sein. Am Montag werden wir beispielsweise keine Uni haben, da auch Smolny zu den Ausflugszielen zaehlt. Dem Wunsch George W. Bushs eine Radtour entlang der Neva zu unternehmen wurde allerdings wegen des zu grossen Aufwands eine Absage erteilt. :) Und wenn Petersburg sich auch so schon hinsichtlich Lebensstandard und westlicher Konsumgesellschaft vom Rest Russlands abhebt, hat die Stadt nicht daran gespart, dieses Bild nochmals zu verstärken. Das Zentrum ist in den letzten Wochen mit reichlich Farbe an Haeusern und Teer auf den Strassen aufgepeppt worden. Das heute nochmals deutlich aufgestockte Aufgebot an Polizei laeuft saemtlichst in neuen Uniformen herum. Verschwunden sind die normalerweise auf dem Nevski-Prospekt Gartenblumen und gehaekelte Huete verkaufenden Frauen und schliesslich sind auch die zahlreichen Laeden geschlossen, in denen offensichtlich raubkopierte CDs und DVDs verkauft werden. Was tut man nicht alles fuer einen guten Eindruck… (Henner) […]