Der Wetterbericht erzählt von sehr viel Regen am Sonntag und auch am Montag. Stürmische Böen soll es dann auch noch geben, zwar erst nachts, angenehmer wird es dadurch natürlich nicht. Wir sind gestern in Riga angekommen und haben uns auf den ersten Campingplatz auf der Insel Kipsala gestellt. Drei davon gibt es da, wir haben den am nächsten zur Brücke gewählt. Vielleicht ist das alten Messegebäude (?) nicht der schönste Ort, aber die Wiese zum drauf stehen dahinter und die sanitären Anlagen sind ok. Und man kommt von dort schnell in Rigas Altstadt, sogar zu Fuß.

Für einen Stadtbummel ist es sicher nicht das beste Wetter, für Strand aber noch weniger. Wandern im Wald: Das fände ich optimal, regnerisches Wetter ist da super, ich liebe den Wald bei Regen. Mit einem quirligen eineinhalb Jährigen aber vielleicht doch eher nicht. Regnen soll es erst spät nachmittags, also spazieren wir nach einem ausgiebigen Frühstück los.

Nicht, dass wir jetzt schnurstracks in die Stadt kämen. Nein. Meine aufmerksamen Kinder haben was entdeckt: ‚Papa! Komma ganz schnell!!‘. In eine versenkte Baumscheibe ist ein Igel gefallen und hockt da nu bedröppelt, kommt nicht mehr raus. Anfassen kann man so einen stacheligen Gesellen mit bloßen Händen nicht, der ist wirklich verdammt pieḱsig von allen Seiten. Nach ein wenig hin und her fällt uns der Einkaufsbeutel im Rucksack ein. Da wird der Kollege hineinkomplimentiert und zu den Bäumen verfrachtet.Da lässt er sich ohne weiteres auskippen.Er bleibt erstmal hocken, hat ihn wohl gestresst. Wir wissen ja nicht, wie lange er in der Baumscheibe fest saß.

Wir wenden uns endlich der Stadt zu.Halb zwölf, achnaja…

Riga

Der Himmel ist depressiv grau, am Horizont verschmilzt er mit dem Fluss. Für das Panorama mit Stadtschloss haben wir die falsche Seite der Vanšu-Brücke gewählt.Aber unten vom Ufer der Daugave kann man das Schloss ebenfalls ablichten.Ok, es ist nicht die schönste Perspektive, die große Bundesstraße stört das Bild. Etwas.

Wir folgen den Touristenpfaden der Altstadt, laufen und schauen, wie die Stadt so ist.Ach, schon sind wir auf dem Domplatz. Ich hab gerade versucht eine Perspektive zu finden, bei der nicht die Hälfte des Bildes aus Domplatzpflaster besteht. Oder die Linien einfach nur stürzen. Ohne Erfolg und eigentlich ist es mir gar nicht so wichtig, weil schon tausend andere Touries ihre schlechten Bilder irgendwo gepostet haben. Und irgendwie brauch ich selber auch kein schlechtes Bild vom Dom und gebe es auf.

Ich weiß wieder nicht genau, warum ich mir die nächste große Stadt angucke. Es sind halt die Kulturzentren einer Gesellschaft. Sie gehören dazu, wenn man ein Land bereist, oder? Denn der Mensch ist, was das Land geprägt hat. Für uns Menschen jedenfalls. Ist seine Vergangenheit, Geschichte; Gepflasterte Touristenwüste. Vermutlich ist es eine Art Pflichtgefühl. Eventuell sollte ich nicht mehr versuchen mir die Städte zu erlaufen. Mit Zeit was Interessantes gezielt raussuchen und das angucken. Wäre sicher besser. Aber dazu bräuchte ich Zeit vorher, zum vorbereiten. Und dann auch zum Besuchen. Das war für diese Reise vorher ganz besonders nicht vorhanden, Zeit. Wahrscheinlich ist auch das trübe Wetter einfach kein Stimmungsaufheller gerade.

Am Dom stehen ein paar Plastiken, meine Kinder müssen sich auf alle draufsetzen. Und ich muss sie ablichten.Da waren noch mehr, muss ich ja aber nicht alle zeigen. Kotzkreisel muss noch; Ich geb‘ ordentlich Schwung.Bei sowas sind meine Mädels erstaunlich schmerzfrei. Insbesondere Alina ist meist die letzte, die vom Karussell steigt und dann auch kaum Schwindel empfindet, zumindest geht er recht schnell vorbei. Stabiles Innenohr. Dabei fällt mir ein, das Jannika noch nicht einmal auf dieser Reise schlecht war im Auto. Sonst wird ihr im Auto regelmäßig schlecht. Wenn sie es rechtzeitig merkt helfen die Kotz-Kaugummis. Oft genug ist es zu spät und eine Tüte muss herhalten. Im Chevy ist das noch gar nicht passiert. Erstaunlich eigentlich.

Nun gut. Gehen wir weiter.Was ist das? Das Haus der Schwarzhäupter. Die Schwarzhäupter waren die unverheirateten, ausländischen Kaufmannsgesellen, die sich in dieser Bruderschaft organisierten.Spannend, auch zu wissen, dass das Haus ein kompletter Neubau ist: 1941 haben es die Deutschen zerstört und später wurde die Ruine geschleift. Zur 800-Jahr-Feier hat Riga sich mit einer originalgetreuen Rekonstruktion beschenkt.Überall sitzen immer diese Jugendlichen rum und starren auf ihre dammichen Handies!! Ach nee, Moment… Irgendwann macht auch die Daumentrainingsgruppe da Platz und ich komme noch zu einem Foto.Ich musste mich beeilen, schon weil meine Familie weiter strebt. Genau genommen in den Souvenirshop im Schwarzhäupterhaus. Wir sind an der baltischen Küste im Bernsteingebiet – wir selbst haben noch nichts gefunden. Aber die Kinder würden sich genau so ein Souvenir gern mit nach Hause nehmen. Es bleibt bei Postkarten und einem Aufkleber für die Tür vom Chevy.

An der Petrikirche stehen die Bremer Stadtmusikanten: Bremen ist Partnerstadt von Riga.Etwas Besonderes ist die Plastik: Die Tiere gucken durch den überraschend geöffneten Eisernen Vorhang. Geschenkt wurde die Plastik schon 1990 von der Stadt Bremen, noch ehe Lettland tatsächlich wieder unabhängig war.

Auf den Turm der Petrikirche kann man rauf, was wir auch machen. Wenn man schon eine Stadt bei trübem Regenwetter zerstaunt, gibt es kaum etwas besseres, als von weit oben und Trockenen runterzugucken, wie alle nass werden. Ok: Im Café sitzen und durch’s große Fenster raus gucken, wie alle draußen nass werden. Das ist noch besser. Sonst fällt mir nichts ein. Also nach oben. Drinnen stellen wir überrascht fest, dass uns nur ein Aufzug nach oben bringen kann. Mit einer Treppe hatte ich schon gerechnet. Etwas warten müssen wir, beim einsetzenden Regen haben sich viele für den Blick von oben auf Riga entschieden.Alle werden nass da unten. Hat der Wetterbericht gesagt, hätte man wissen können. Unter den ganzen Touristen hier oben sind wir gut als ‚die Deutschen‘ zu erkennen, in unseren Regenklamotten. Begeben wir uns wieder hinunter und integrieren uns in die tropfende Menge.Die Bar hier hinter St. Petri heißt übrigens ‚The Sinners‘.

Wir denken jetzt auch ans sündigen, ans kulinarische. Die Rigaer Markthallen sollen da doch einiges bieten. Außerdem wollen wir mal wieder unsere Vorräte im Chevy ergänzen. Schon davor gibt es jede Menge Gemüsehändler, die uns mit Pflaumen, Äpfeln usw. versorgen. Drinnen geht es weiter mit hallenweise Wurst und Käse. Und Fisch.Ich wär blöd hier nichts mitzunehmen, Vegetarier hin oder her. Außerdem wird mir da niemand aus der Familie was wegessen :) Uns wird auch klar, dass wir hier unser Mittag nicht abfrühstücken können: Es wird müßig sein, jeden Händler zum Glutengehalt seiner Produkte zu befragen, Kreuzkontamination etc. Es verursacht mir zu viel Stress den Batrieb aufzuhalten, bis ich mich verständlich gemacht habe, während hinter mir gefühlt schon ein Fuß ungeduldiges ‚tap-tap-tap‘ morst. Lieber stöbern wir draußen hinter den Markthallen durch die anderen Obst- und Gemüsestände. Nehmen Äpfel, Pflaumen und Pfifferlinge mit.

Maria hat recherchiert, dass es mehrere glutenfreie Restaurants in Riga gibt. Eines ist das Zeest | TC Saga im Foodcourt eines Einkaufscenters. Vor Ort ist das allerdings nicht mehr auffindbar. In Google ist es eingezeichnet, aber niemand kennt es. So ein Mist :| Und jetzt? Was bei Alina-Kind noch auf der Wunschliste steht: ‚Ne Pommes!‘.

So einfach wie es klingt ist das nicht: Wenn die Friteuse auch für anderes, paniertes verwendet wird, dann ist die glutenkontaminiert und die Pommes sind es dann auch. Bei Mc Donalds hat man da immerhin eine Chance; Deren Arbeitsabläufe sind durchgetaktet und die Friteuse für Pommes nur eben für diese da; Das ist hoffentlich auch hier so. Solcherlei Etablissement findet man ja in großen Städten problemlos, da suchen wir jetzt eins auf. Dafür das wir die große Portion Pommes nehmen, ist die ganz schön winzig. Im Gegensatz zum Preis, alter Schwede! Naja egal.

Inzwischen opponiert Mika gegen das Sitzen in der Manduca. Gleich nebenan vom Mäcces ist das Freiheitsdenkmal und ein Park.Da kann Mika rumpanzel, wir essen unsere mitgebrachten Bemmen. Und Pflaumen.Einen letzten Tagesordnungspunkt absolvieren wir jetzt noch, liegt er doch mehr oder weniger auf dem Weg zurück zum Campingplatz: Die drei Brüder. Dabei handelt es sich um drei nebeneinander stehende Häuser aus drei verschiedenen Jahrhunderten, erbaut alle von der gleichen Familie.Gut. Es wird Zeit zum Campingplatz zurückzukehren. Riga lassen wir zurück, wie es uns begrüßt hat.

(swg)