Manchmal kaufe ich Bücher, die dann des Lesens harren, sielen sich im Regal neben meinem Nachttisch, stauben langsam ein. Ich kann mich lange nicht durchringen, sie zu lesen. Meist sind es in irgendeiner Form Gesellschaft/Politik betreffende. „Geld“ von Marlene Engelhorn ist das passiert; Wann ich mich zur Reichsbürgererfahrung von Tobias Ginsburg durchringen kann, weiß ich nicht. Für Abends, so als Gute-Nacht-Lektüre wird das eher nicht taugen. Aber wann sonst?

Romanen passiert das bei mir aber auch, ich prokrastiniere die einfach, bis nur anstrengenderes auf dem Nachttisch wartet. Und weil ich jetzt nicht „Geld“ zuende lesen will oder „Reise ins Reich“ anfangen, lese ich „Die drei Sonnen“ von Cixin Liu: Hab ich in einem Anfall von „Oh, interessant rezensiert“ gekauft; Gleich alle drei Bände der Trisolaris-Trilogie. Tja.

Jetzt hab ich mit dem ersten Band begonnen und weiß gerade nicht, ob mich die Geschichte genug fasziniert oder ob mich die Figuren zu sehr abschrecken. Ich verstehe den Start aus der Kulturrevolution, kann den Gefühlsbruch der Personen nachvollziehen, bzw. das Fehlen von Gefühlen. Nun ist aber die nächste Hauptfigur eingeführt – ohne den Kulturrevolutions-Hintergrund – und die ist genauso hölzern und in sich gekehrt. Muss ich mir den Hintergrund denken, voraussetzen, dass es ähnlich wie bei der ersten Hauptfigur ist? Ist das das im Hintergrund schwebende Setting aller Figuren? Muss ich hier auf den Zustand mehrerer Generationen dieser, der chinesischen Gesellschaft schließen? Oder fehlt hier wirklich etwas und der Autor konnte schlicht keine Figurentiefe auf emotionaler Ebene erzeugen? Kann ich einfach nur nicht lesen, was zwischen den Zeilen steht?

Heute Morgen ist mir dann etwas Böses dazu eingefallen. Kennt ihr noch die Trompeter-Bücher aus DDR-Zeiten? Wir mussten damals den „Zauberer Faulebaul“ lesen. Indoktrination zum sozialistischen, produktiven, nützlichen, Gesellschaftsrädchen vom Feinsten. Das war bei uns Unterrichtslektüre. Als Kind hab ich wirklich gerne und viel gelesen. Aber das Ding hab ich nicht geschafft. Die paar Seiten, die wir als Hausaufgabe lesen mussten: Ich hab’s nie gemacht; Beim „Zauberer Faulebaul“ fast schon Ironie. Vor nicht allzu langem hab ich das Buch nochmal gelesen. Mit dem heutigen Blick könnte man drüber Lachen, wenn man außer Acht lässt, wie hier Indoktrination betrieben wurde. Ziemlich plump, aber vielleicht hats bei Kindern funktioniert? Bewusst war mir das damals sicher eher nicht. Ich hab’s nur gehasst, gezwungen zu werden, etwas bestimmtes zu lesen, und zwar jetzt und gleich. Vielleicht hat mich irgendwas an der Geschichte gestört, weil’s einen Bezug zu mir hatte (lernt nur, was ihn interessiert).

Die Figuren in „Die drei Sonnen“ kommen mir so vor, als hätten die „Trompeter-Bücher“ bei ihnen funktioniert. Und ich weiß nicht, ob das Absicht ist. Für ein Defizit des Autors ist es fast zu plakativ, für Absicht dagegen beinahe unerträglich. Ich weiß nicht, ob die Bücher von mir als ungelesen frei gelassen werden. Passieren könnt’s.

(swg)