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„Ich bin jetzt auch Vegetarier.“ Vorher hat Alina noch von H. erzählt, einem Mitschüler, der jetzt kein Fleisch mehr essen will. Das kam, weil H. ihr bei ihrer Projektarbeit über die Schulter geguckt hat. Wortwörtlich. In ihrem aktuellen Projekt beschäftigt sich Alina mit Massentierhaltung, deren Auswirkungen auf die Umwelt und den möglichen Alternativen. Zu Recherchezwecken hat sie eine Reportage geguckt – das durften auch nur sie und ihre Projektpartnerin. Im Video waren ein paar Szenen, die nicht unbedingt jedem Kind zugemutet werden können. Und über die Schulter geguckt hat ihr halt H. …

Jetzt ist ihr Dilemma, was ihr alles schmeckt und sie gleichzeitig sieht, was dahinter steckt. Bisher hatte sie kein Problem damit, das man ein Tier schlachten muss, wenn man Fleisch essen will. Das ist, denke ich, auch immer noch so. Was aber halt wirklich ein Problem für sie ist (genau wie es auch bei mir war): Fleisch wird zum allergrößten Teil ‚produziert‘; Effizient, eingepfercht, turbogemästet, fließbandgemordet. Massentierhaltung ist nie wirklich artgerecht und es geht dazu noch richtig viel schief – auf allen Teilen des Produktionsweges. Unter Qualen gelebt, unter Qualen gestorben. Die allermeisten. Und auch das Biovieh: Im Leben geht’s dem vielleicht ein bisschen besser, aber geschlachtet werden die allermeisten Tiere immer noch in den konventionellen Schlachtbetrieben. Geht also trotzdem nicht, und damit ist das Thema Fleisch wohl erstmal durch. Dabei hat sie noch nicht mal die gesundheitlichen Aspekte des Wahnsinns gesehen: Antibiotika, multiresistente Keime, Überkonsum usw. usf. …

Ich bin gespannt, welchen Weg sie findet. Denn ziemlich klar ist für mich, dass sie vegetarisch Essen nicht konsequent durchhalten kann. Irgendwas muss zum Beispiel in der Schule essen. Durch ihre Sonderkost hat sie sowieso fast nie eine Auswahl: Ein Essen und fertig – wenn Fleisch drin ist: Pech. Wenn es Maisnudeln gibt muss ich ihr eh schon was anderes mitgeben, weil sie die absolut eklig findet. Aber jedesmal, wenn es jetzt Fleisch gibt, kann ich ihr nicht auch noch was kochen, das schaffe ich einfach nicht.

(swg)

Die ersten neblig-kalten Tage im Herbst. Mit heißem Kakao auf der Couch und diesem heimeligen Geruch nach warmem Heizungsstaub in der Luft…

Das Mika-Kind ist krank, Temperatur hatter, husten tuter, zuhause bleiben musser. Ich bin dran mit Kind-Krank, Maria hat Wechselstress. In ihrer neuen Abteilung wird sie eine Arbeitsgruppe leiten, aber das Fachgebiet ist ihr zuletzt im Studium zugestoßen: Viel aufzufrischen und wieder kennenzulernen. Außerdem wird gerade ein neues QS-Management eingeführt. Ist sehr schlecht, wenn man dann die Veranstaltungen dazu verpasst.

Ich darf mit Mika zum Kinderarzt. Wie immer, wenn Wochen schon voll sind, kommen Extra-Hürden dazu: Unsere Kinderärztin hat Urlaub und wir müssen zum Vertretungsarzt. Viel weiter ist es zum Glück nicht, aber zum Fahrrad bin ich doch genötigt – sonst muss ich nur über die Straße. Eigentlich habe ich einen guten Start und bin schon vor halb acht aus der Tür, dafür reicht die Schlange beim Kinderarzt aus der Praxistür raus. Das ich da vielleicht nicht so lange sitzen muss, wie letzte Woche, hatte ich schon gehofft; Vorstellen muss ich Mika jetzt nicht, was soll die Ärztin auch feststellen? Eine Krankschreibung reicht mir. Aber draußen stehen war nicht geplant.

Krankschreibung ohne Vorstellen geht klar, immerhin. Bei unserer Kinderärztin wäre das noch einfacher gewesen, eine Email hätte genügt. Die Krankschreibung holt man sich dann im Lauf‘ des Tages ab. Na egal, immerhin muss ich nicht im Wartezimmer mit den anderen Verseuchten rumsitzen. Vorm Empfangstresen dieser Praxis sind auch ein paar Bänke und Stühle. Dort vertreibe ich Mika die Zeit mit Buch vorlesen – da hat seine Ausdauer in letzter Zeit enorm zugenommen. Als ich freundlich den Krankschreibungszettel gereicht bekomme versteht er das aber sofort als Aufbruchs-Signal. Er kann gar nicht schnell genug aus der Praxis kommen.

Es ist erst acht Uhr, mit dem Fahrrad sind wir sehr schnell wieder zu Hause. Nachdem es im Keller steht, will Mika natürlich nicht hoch in die Wohnung. Sein Puky will er haben und raus soll es jetzt gehen. Na, meinetwegen. Ich hab’s mir schon gedacht, als ich mein Fahrrad die Treppe runterschleppe und der Zwerg nachkommt. Im sonnigen Herbstwetter ist das ja nicht unangenehm, es sind 15°C, gelb-braune Blätter fallen überall.

Überhaupt ist das Grün dieses Jahr wieder sehr schnell in kahl umgeschlagen. Es hat keine Woche gedauert und ein Übergang durch bunten Herbst hat kaum stattgefunden. Gerade erst war noch alles grün, jetzt ist schon gelb-braun oder gleich komplett kahl.

Gehen wir also. Richtung Haltestelle zeigt Mika und sagt „Mama, Mama!“. Nee, Mika, Mama ist auf Arbeit, die kommt erst heute spät Nachmittag wieder nach Hause.Ich hab keine Ahnung, warum er glaubt, an der Haltestelle Mama zu finden. eigentlich fährt Maria mit dem Strida zum Bahnhof und dann mit dem Zug nach Freiberg. Obwohl. Manchmal kommt sie auch mit der Straßenbahn zurück. Faltrad bergauf macht nicht so viel Laune.

An der Haltestelle biege ich mit Mika in den Bäcker ab, ich hab unsere Nachbarin hinter der Theke gesehen. Ich wollt‘ nur kurz ‚Hallo‘ sagen und ein Croissant mitnehmen. Aber Mika ist eingefallen, dass er doch Hunger hat, das Croissant will er gleich haben. Unter dem tadelnden Blick von Nachbarins Kollegin setze ich Mika auf einen Stuhl und drücke ihm das Backwerk in die Hand. Steuerhinterziehung! Bestell ich halt noch ’nen Kaffee dazu, für mich. Dann kann ich mich etwas länger mit der Nachbarin über die Hausungemeinschaft unterhalten. Mika mumpelt derweil fast das ganze Croissant weg.

Ein Bekannter – Kita-Papa – schaut auch noch vorbei. Da drängelt Mika aber schon sehr und will mit seinem Puky immer aus der Bäckerei-Tür raus. Ich hab ihn schon ein paar mal zurück gerufen – und er hat erstaunlich gut gehört. Draußen treffe ich noch eine andere Nachbarin, aber Mika will jetzt aber wirklich mal weiter. Er fetzt die Paradiesstraße runter. Inzwischen kann er ganz koordiniert die Füße heben und das Puky rollen lassen und genauso die Fußsohlen zum Bremsen wieder vorsichtig auf den Boden setzen.Immer die Straße runter hat er einen Riesenspaß, flitzt durch die Laubhaufen am Rand, gickert dabei und ist auf Tour fröhlich wie immer. Unten an der nächsten Haltestelle biege ich ihn lieber ins Wohngebiet ab. Sonst würde er vermutlich bis zum Großen Garten weiterfahren.

Der Junge wirkt einfach nicht krank, oder? Was soll ich mit dem zuhause? Den hab ich nur hier, weil erhöhte Temperatur ein no-go für die Kita ist – sagen die. Eigentlich finde ich schon, dass für ihn andere Regeln gelten sollten! Es ist unmöglich ihn in der Wohnung zu behalten, geschweige denn ihn ins Bett zu legen, zwecks Erholung. Draußen will er sein, rum fahren muss er! Bis hier sind wir schon einen Kilometer mit dem Puky rumgewutscht! Naja, so ein Herbsttag mit Kind ist ja auch mal schön. Arbeit wartet, die geht sowieso nicht weg.

Apropos eigene Regeln: Mika muss ich immer wieder mal davon abhalten, auf die Straße zu wutschen. So eine Bordstein-Stufe mit dem Puky runterknallen macht ihm nämlich irre viel Spaß! Das probiert er ausdauernd und auch teils vehement.Stattdessen dirigiere ich ihn rüber zum nächsten Hauseingang, da gibt es eine kleine Rampe und daneben eine Treppe. Runter, rauf, runter, rauf, runter, …

Die Heinrich-Greif-Straße wieder rauf gibt es kleinere Spielplätze bei den Wohnblöcken der WGS. Dorthin machen wir uns auf – natürlich nicht ohne Abstecher in Ein- und Zufahrten, Steine sammeln, Steine verstreuen. Am Ende ist der Sandkasten die interessanteste Option für ihn.Ich bin ein bisschen dünn angezogen, eigentlich war ich ja auch nur auf ein kurzes Stück Fahrrad eingestellt – obwohl ich es besser hätte wissen können. Hier zwischen den Wohnblöcken kommt die Herbstsonne nicht bis zu uns herunter und so langsam kriecht mir die Kälte unter die Regenjacke beim Rumstehen. Nach Hause will Mika nicht, der Sandkasten ist toll. Aber Hunger bekommt er inzwischen wieder, damit zieht der Konsum: Da können wir ja vielleicht was zu essen kaufen. Pflaumen sind’s geworden.So richtig verstanden hat Mika das Konzept „Einkaufen“ noch nicht. Waren einsammeln klappt schon ganz gut, aber den Schritt „bezahlen“ sieht er nicht so richtig; Ist doch ein Umweg! Gleich reinbeißen geht viel schneller. Beine baumelnd verdrückt er eine Pflaume, dann balancieren wir auf der Parkplatz-Einfassung nach Hause. Hoch in die Wohnung will er immer noch nicht, aber ich muss jetzt mal dringend. Außerdem ist es inzwischen fast elf und ich muss mich langsam um ein Mittagessen für ihn kümmern. Fast drei Stunden draußen herumspaziert; Das arme, kranke Kind…

(swg)

Manchmal kaufe ich Bücher, die dann des Lesens harren, sielen sich im Regal neben meinem Nachttisch, stauben langsam ein. Ich kann mich lange nicht durchringen, sie zu lesen. Meist sind es in irgendeiner Form Gesellschaft/Politik betreffende. „Geld“ von Marlene Engelhorn ist das passiert; Wann ich mich zur Reichsbürgererfahrung von Tobias Ginsburg durchringen kann, weiß ich nicht. Für Abends, so als Gute-Nacht-Lektüre wird das eher nicht taugen. Aber wann sonst?

Romanen passiert das bei mir aber auch, ich prokrastiniere die einfach, bis nur anstrengenderes auf dem Nachttisch wartet. Und weil ich jetzt nicht „Geld“ zuende lesen will oder „Reise ins Reich“ anfangen, lese ich „Die drei Sonnen“ von Cixin Liu: Hab ich in einem Anfall von „Oh, interessant rezensiert“ gekauft; Gleich alle drei Bände der Trisolaris-Trilogie. Tja.

Jetzt hab ich mit dem ersten Band begonnen und weiß gerade nicht, ob mich die Geschichte genug fasziniert oder ob mich die Figuren zu sehr abschrecken. Ich verstehe den Start aus der Kulturrevolution, kann den Gefühlsbruch der Personen nachvollziehen, bzw. das Fehlen von Gefühlen. Nun ist aber die nächste Hauptfigur eingeführt – ohne den Kulturrevolutions-Hintergrund – und die ist genauso hölzern und in sich gekehrt. Muss ich mir den Hintergrund denken, voraussetzen, dass es ähnlich wie bei der ersten Hauptfigur ist? Ist das das im Hintergrund schwebende Setting aller Figuren? Muss ich hier auf den Zustand mehrerer Generationen dieser, der chinesischen Gesellschaft schließen? Oder fehlt hier wirklich etwas und der Autor konnte schlicht keine Figurentiefe auf emotionaler Ebene erzeugen? Kann ich einfach nur nicht lesen, was zwischen den Zeilen steht?

Heute Morgen ist mir dann etwas Böses dazu eingefallen. Kennt ihr noch die Trompeter-Bücher aus DDR-Zeiten? Wir mussten damals den „Zauberer Faulebaul“ lesen. Indoktrination zum sozialistischen, produktiven, nützlichen, Gesellschaftsrädchen vom Feinsten. Das war bei uns Unterrichtslektüre. Als Kind hab ich wirklich gerne und viel gelesen. Aber das Ding hab ich nicht geschafft. Die paar Seiten, die wir als Hausaufgabe lesen mussten: Ich hab’s nie gemacht; Beim „Zauberer Faulebaul“ fast schon Ironie. Vor nicht allzu langem hab ich das Buch nochmal gelesen. Mit dem heutigen Blick könnte man drüber Lachen, wenn man außer Acht lässt, wie hier Indoktrination betrieben wurde. Ziemlich plump, aber vielleicht hats bei Kindern funktioniert? Bewusst war mir das damals sicher eher nicht. Ich hab’s nur gehasst, gezwungen zu werden, etwas bestimmtes zu lesen, und zwar jetzt und gleich. Vielleicht hat mich irgendwas an der Geschichte gestört, weil’s einen Bezug zu mir hatte (lernt nur, was ihn interessiert).

Die Figuren in „Die drei Sonnen“ kommen mir so vor, als hätten die „Trompeter-Bücher“ bei ihnen funktioniert. Und ich weiß nicht, ob das Absicht ist. Für ein Defizit des Autors ist es fast zu plakativ, für Absicht dagegen beinahe unerträglich. Ich weiß nicht, ob die Bücher von mir als ungelesen frei gelassen werden. Passieren könnt’s.

(swg)

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