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Mikas Wochenrückblicke

3.11.

Wahrscheinlich war es doch etwas verfrüht Mika „Sprachlosigkeit“ zu attestieren. Im Moment spricht er täglich mehr Silben, inzwischen sind schon eine ganze Reihe einsilbiger Worte zusammen gekommen. Sein inbrünstiges »Ja« hab ich ja schon erwähnt. Ansonsten wiederholt Mika so ziemlich von jedem Wort am Satzende die erste Silbe. Teils versucht er auch mehr: »auch«, »aus«, »auf« usw. Seine Schwestern bekommen nach der Gebärde nun auch langsam Namen: Für Alina ist es von »iiiaaa« über »iinaa« bis »lilaa« und alles dazwischen. Ich fürchte ein wenig, dass Jannika noch eine ganze Weile warten muss, weil ihr Name so lang ist. Momentan verwendet »aajaa«.

Laufen ist noch so ein Ding. Draußen, wenn er zu Fuß ist, geht er nicht, nein, meist rennt er. Er kann problemlos mit uns Schritt halten. Langsamer wird er nur, wenn er versucht auf einem Bordstein oder einer Einfassung zu balancieren.

4.11.

Jannika ist schon herzallerliebst, wenn sie früh ihren kleinen Bruder anzieht. Ohne sie würde ich vermutlich deutlich später das Haus verlassen. Mika hat oft so seine eigenen Vorstellungen was und wie etwas angezogen wird, und vor allem, wer ihm dabei hilft. Wenn man dem kleinen Querkopf alleine ausgesetzt ist, kommt man nicht vorwärts.

9.11.

Mittwoch Abend hat Mika wieder Mal Fieber gehabt, Donnerstag wäre seine nächste Impfung fällig gewesen – so natürlich nicht, die Grippeimpfung musste ausfallen. Seine Dauer-Erkältung hat mir weniger Sorgen gemacht als der jetzt neu dazu gekommene Husten. Also doch mal vorbei gehen und den kleinen Kerl bei der Kinderärztin vorstellen. Pünktlich bei der Kinderärztin zeigt er recht deutlich, dass es ihm nicht so gut geht, er atmet deutlich gepresst. Beim Abhorchen erst ein »das klingt aber nicht gut«, dann ein »Beginnende Lungenentzündung!«. Das kam jetzt doch überraschend, wir sollen gleich mit Antibiotika draufhauen. Ohje. Na gut.

Eigentlich ist Mika recht fröhlich drauf. Nachdem wir kurz das Rezept in der Apotheke eingelöst haben, will er wieder spazieren gehen. Aber dazu gerät er ziemlich schnell außer Atem, was ihn offenbar selbst verblüfft. Seine Ziele beim herumspazieren liegen weiter weg, als er gerade über Ausdauer verfügt. Er wirkt ein wenig deprimiert, wie er da auf dem Parkplatz vorm Konsum herumsteht. Gerne wäre er weiter auf den Randsteinen herumbalanciert, vielleicht vorn herum am Schreiberli vorbei gestapft: Geht aber nicht. Er ist müde, also gehen wir einfach heim; Heißt: Ich trage ihn, was wirklich nicht häufig passiert. Ein klein wenig Spielen wir noch, lunschen ins Müsli, gucken Bücher an und dann ist schicht im Schacht, einfach eingeschlafen über einem Buch, auf meinem Schoß.Furchtbar an Kind-krank ist, dass Mika nicht wirklich isst. Beim Müsli ging es kaum über drei Löffelchen hinaus. Sonst mag er so so gar nichts essen. An allem knabbert er nur ein bisschen rum, aber im Großen und Ganzen wartet er einfach darauf, dass Maria wieder da ist; Dann hängt er ausschließlich an ihrer Brust. Nachts sowieso, und wenn sie zuhause bleibt erst recht. Dabei reicht ihre Milch schon lange nicht mehr aus. Nachts wacht Mika auf und will was essen, gebärdet es und möchte aufstehen und in die Küche. Gibt man dem nach findet er aber nichts, was er tatsächlich essen will. Egal, was man anbietet: Müsli, Knäcke, Butterbrot, Banane, Apfel, Gurke – nichts davon mag er. Aus der Kita wissen wir eigentlich, dass er all das ganz gerne mag. Beim Abholen krallt er sich gern mal schnell noch ein Butterbrot und mampft es dann. Zuhause nicht.

Nur zuhause bleibt der Kampf ums essen, aber selbst Hunger bringt ihn nicht dazu, freiwillig zu essen, bis er satt ist. Für ihn scheint das ein interessanter Spaß zu sein, aber Nahrungsaufnahme definiert er anders. Schon gleich wenn es ihm nicht so gut geht: Ich glaube Mika hatte bei seinen Fieberschüben auch Gliederschmerzen. So war es Donnerstag für mich eher unentspannt mit ihm zuhause. Immerhin ist er irgendwann vormittags auf der Couch eingepennt. Auf meinem Bauch. Allerdings schlief er eher unruhig und nicht sehr tief, ich durfte mich keinen Millimeter bewegen. Und weil ich nicht mal mein Handy in Griffweite hate, blieb mir nichts anderes übrig, als selbst einfach nur zu schlafen. Nach einer Stunde konnte ich ihn dann einfach abkippen und irgendwas im Haushalt erledingen. Schlafen ist eigentlich doch schöner.

Für Maria war es gestern auch ein einziges „Mamamamamama“. Besser ging es ihm nicht, und es ist auch eher anstrengen, wenn das Kind andauernd die Brust will. Geschweige denn, dass man irgendetwas erledigt bekommt.

12.11.

Wir wechseln uns weiter ab, mit dem zuhause bleiben: Heute war Mikas Kontrolltermin bei der Kinderärztin. Eigentlich ist er fit, Fieber ist weg, seine Rotznase auch und der Husten ist quasi schon verschwunden. Nichts anderes stellt die Kinderärztin fest, die Lunge ist wieder frei. Das Antibiotikum sollen wir trotzdem noch bis Donnerstag geben, Freitag darf Mika dann wieder in die Kita. Wahrscheinlich hat sie Recht, dass er sich besser noch etwas auskuriert, ehe er wieder dem Kitastress ausgesetzt wird. Bleib ich morgen nochmal zuhause – Maria hat irgendein Seminar auf Arbeit – dafür darf sie dann Donnerstag den Hosenmatz hüten. Noch schnell den Grippe-Impfung-Nachholtermin vereinbaren und wir sind raus aus der Praxis. Heute war tatsächlich überhaupt gar nichts los im Wartezimmer. Kommen, dran sein, gehen, nächster Patient. Wie beim – schon immer gut organisierten – Zahnarzt.

Auf dem Rückweg nach Hause gucken wir wieder beim Bäcker rein. Heute hat unsere Nachbarin zwar keine Zeit, Schweinsohr und Kaffee schmecken uns trotzdem. Schon erstaunlich, in welcher Frequenz hier Leute in den Laden kommen, insbesondere Schüler. Offenbar hat das Viztum-Gymnasium auch größere Lücken im Schultag… Die Alten kommen in noch größerer Zahl. Einigen merkt man an, dass sie gerne etwas geplauscht hätten; Klappt aber heute nicht, auch wenn drei Verkäuferinnen hinter der Theke stehen: Offenbar findet gerade die Einsatzplanung bis Weihnachten statt. Und nebenbei werden auch Backwaren verkauft.

Alina: »Na, hallo Mika! Bin ich plötzlich einfach aufgetaucht?« Mika: »Ja!! Ajoo.«

22.11.

Es hat ein bisschen geschneit in Dresden und es ist unter null Grad. Kein Wetter um mit dem Fahrrad in die Kita zu fahren: Ich hab die Spikes noch nicht drauf – sonst ginge es schon. Also gehen wir zum Bus. Also ich gehe, Mika ist in seinem üblichen Modus unterwegs: Er rennt, die ganze Zeit.

Wir sind ein bisschen spät in der Kita – was am Wetter und dem verspäteten Bus liegt – aber Mika spielt gut mit: Er dödelt nicht lange vorm Gruppenraum rum und kommt recht schnell hinter zur Garderobe. Er lässt sich wie immer ausziehen und die Schuhe wechseln. Dabei guckt er neugierig zu, wie neben uns Mara und ihr Papa sie umziehen. Sie sind ein bisschen schneller als wir und Mara kommt jetzt mal gucken, was bei Mika so lange dauert. Eigentlich verabschiedet sich Mika gleich an der Garderobe von mir und flitzt dann ins Gruppenzimmer oder, wie heute, gleich zum Frühstück. Weil er sich aber jetzt nicht so richtig von mir lösen will, frage ich Mara: „Nimmst Du Mika mit zum Frühstück?“ Ohne großes Zögern nimmt sie Mikas Hand und dann gehen beide zum Frühstück. Mika guckt dabei ein bisschen verwundert auf ihre Hände, aber es scheint ok zu sein, er geht mit.

24.11.

Sprechen wird wahrscheinlich doch kein großes Problem werden. Mit der Kita hat Mika mehr und mehr versucht laute und Worte zu artikulieren. Sein aktueller Wortschatz ist deutlich angewachsen. Seine beiden Schwestern beginnt er mit „Namen“ anzusprechen – manchmal – und auch sonst kennt er ein paar Worte:

Alina – Ijaa
Jannika – Ajaa
Hallo – Ajoo
Bagger – Baggaa!
andere – ane
weg – huck!, heck!
eine – eine: er will eine Folge „Schmusedecke“ sehen
meine – MEINE!!
alle (leer) – alle-alle
Ball – Bail

Interessant ist, dass er vor allem die Substantive aus Sätzen/Fragen an ihn direkt versucht zu wiederholen. Aus einer »Banane« wird das Kleinkind-typische »Nane« usw., er sagt die Worte aber noch nicht von sich aus.

28.11.

Ich hatte wirklich Bammel, Mika heute alleine ins Bett bringen zu müssen. Ohne Sie geht das eigentlich nicht. Maria hat Weihnachtsfeier und ist weit weg in Freiberg, also auch nicht mal eben greifbar, schon gleich weil sie für die Rückfahrt von Kollegen abhängig ist. Andererseits stehen die Bedingungen gar nicht so schlecht: Heute Morgen hat Mika seine Grippeimpfung bekommen und nachmittags ist Tekla. Damit dürfte er dann hinreichend platt sein, so die Prognose. Beim Tekla hat er sich wirklich Mühe gegeben und ist dort rumgetobt. Er war erstaunlich unbeschwert in seinem Spiel. Vielleicht war es günstig, dass wir die ersten waren. Nachdem ich letzte Woche im Schneesturm zu spät kam, war ich diese Woche ob des stürmischen Regens viel zu zeitig aufgebrochen und entsprechend eine halbe Stunde zu früh dran. Viel Zeit für ihn, sich mit dem Raum und den aufgestellten Spielsachen auseinander zu setzen. Dass dann immer mehr Leute dazu kommen, stört ihn nicht. Einzig, wenn er von einem Erwachsenen angesprochen wird, ist er sofort schüchtern und kommt zu mir. Auch als wir das Anfangslied singen, spielt er weiter, hat aber immer mal diesen „was macht ihr da? Ihr seid komisch“-Blick für uns.

Auf der Rückfahrt im Chariot schläft mir Mika ein. Ein ganzer Tag Kita und dann noch Tekla, das macht den kleinen Kerl platt. Damit löst sich auch mein Problem auf, Mika ins Bett bringen zu müssen. Den Chariot lasse ich auf dem Treppenabsatz stehen. Dick eingehuschelt in seinen Winterklamotten sind 17°C eine gute Schlafzimmertemperatur. Immer wieder geh ich mal gucken, dem Babyfon trau ich nicht gänzlich. Kein Mux ist zu hören, bis Maria irgendwann halb elf nach Hause kommt. Ein bisschen fühle ich mich erlöst.

(swg)

Mittwoch Abend hat Mika wieder Mal Fieber gehabt, Donnerstag Morgen wäre seine nächste Impfung fällig gewesen – so natürlich nicht, die Grippeimpfung musste ausfallen. Seine Dauer-Erkältung hat mir weniger Sorgen gemacht als der jetzt neu dazu gekommene Husten. Also trotzdem mal bei der Kinderärztin vorbei gehen und den kleinen Kerl vorstellen. Pünktlich bei der Kinderärztin zeigt er, dass es ihm nicht so gut geht, er atmet deutlich gepresst. Beim Abhorchen erst ein »das klingt aber nicht gut«, dann ein »Beginnende Lungenentzündung!«. Das kam jetzt doch überraschend, wir sollen gleich mit Antibiotika draufhauen. Ohje. Na gut.

Eigentlich ist Mika recht fröhlich drauf. Nachdem wir kurz das Rezept in der Apotheke eingelöst haben, will er wieder spazieren gehen. Aber er gerät ziemlich schnell außer Atem, was ihn offenbar selbst verblüfft. Seine Ziele beim Herumspazieren liegen weiter weg, als er gerade über Ausdauer verfügt. Er wirkt ein wenig deprimiert, wie er da auf dem Parkplatz vorm Konsum herumsteht. Gerne wäre er weiter auf den Randsteinen herumbalanciert, vielleicht vorn herum am Schreiberli vorbei gestapft: Geht aber nicht. Er ist müde, also gehen wir einfach heim; Heißt: Ich trage ihn, was wirklich nicht häufig passiert. Ein klein wenig Spielen wir noch, lunschen ins Müsli, gucken Bücher an und dann ist Schicht im Schacht, einfach eingeschlafen über einem Buch, auf meinem Schoß.Bewegen durfte ich mich in der ersten Stunde nicht, fast wäre er mir aufgewacht. Dann hätte ich ein sehr knatschiges Kind gehabt. Leider lag nicht mal mein Handy in Griffweite, mir blieb auch nur, ein Nickerchen zu machen. Gibt schlimmeres. Nach einer Stunde konnte ich Mika doch abkippen, er hat zum Glück einfach weiter geratzt. Was tun ist jetzt aber trotzdem schwierig, schließlich liegt das Kind im Wohnzimmer auf der Couch. Und nix was ich tue darf Lärm verursachen… Naja, ’ne Waschmaschine krieg ich angeworfen, bissel was aufgeräumt; Ansonsten ist die Verdammnis zur Tatenlosigkeit wirklich furchtbar.

Furchtbar an Kind-krank ist auch, dass Mika nicht wirklich isst. Beim Müsli ging es kaum über drei Löffelchen hinaus. Sonst mag er so gar nichts essen. An allem knabbert er nur ein bisschen rum, aber im Großen und Ganzen wartet er einfach darauf, dass Maria wieder da ist; Dann hängt er ausschließlich an ihrer Brust. Nachts sowieso, und wenn sie zuhause bleibt erst recht. Dabei reicht ihre Milch schon lange nicht mehr aus. Nachts wacht Mika auf und will was essen, gebärdet es und möchte aufstehen, in die Küche gehen. Gibt man dem nach findet er aber nichts, was er tatsächlich essen will. Egal, was man anbietet: Müsli, Knäcke, Butterbrot, Banane, Apfel, Gurke – nichts davon will er jetzt essen. Jedes Kind isst Nudeln?! Mika gerade nicht, also jetzt nicht, manchmal schon, aber auch nur nach Laune. Aus der Kita wissen wir eigentlich, dass er all das ganz gerne mag. Beim Abholen krallt er sich zum Beispiel gern mal schnell noch ein Butterbrot und mampft es dann. Zuhause nicht. Hier steht er nachts leicht verzweifelt und hungrig in der Küche.

Für Mika scheint Nahrung auf einem Teller ein interessanter Zeitvertreib zu sein, aber Nahrungsaufnahme definiert er anders. So war es für Maria gestern, am Freitag, auch ein einziges „Mamamamamama“. Besser ging es Mika noch nicht, und es ist auch eher anstrengend, wenn das Kind andauernd die Brust will. Geschweige denn, dass man so irgendetwas erledigt bekommt. Weil das so ist, ist heute Aufräum-Samstag. Wenn alle da sind kümmern sich gleich vier um das kränkliche Knatschkind. Als Hahn im Korb ist er fast schon zufrieden.

Spät nachmittags hat der Reitverein, bei dem auch Alinas und Jannikas Hobbyhorsing stattfindet, zum Laternenfest geladen. Spazieren geht’s mit den echten Pferden, hinterher gibt es Lagerfeuer und Bratwurst. Kontaktscheu ist Mika nicht.Kurz nach sechs hat Mika fertig, wir fahren heim – nee, wir laufen, vom Bus sehen wir nur die Rücklichter. Mika findet’s doof, der will jetzt einfach nur ins Bett, ich lauf einfach schneller durch die dunklen Straßen. Zwei Haltestellen sind keine so große Entfernung.

(swg)

Es ist Zeitumstellung. Wieder. Wann hat man in der EU noch gleich rumgetönt, man würde das jetzt mal reformieren wollen? Das war 2018 und namentlich der Juncker! Zweitausendachtzehn! ’21 hatte man sich im Parlament durchgerungen, jetzt aber mal echt was zu machen. Und dann kam Corona. Und dann russischer Angriffskrieg. Und seit dem war auch immer irgendwas wichtiger. Außerdem isses ja eh ganz schlimm, wenn’s evtl. ’ne Zeitzone mehr in der EU geben würde. Wirtschaft kollabiert dann nahezu, muss man wissen. Alles Chaos. Schlimmschlimmschlimm.

Naja. Niemand hat Mika erklärt, was Umstellung auf „Normalzeit“ bedeutet. Der hat einfach seinen Rhythmus und ist heute halt statt halb sieben schon halb sechs wach. Genau genommen ist es ja auch wirklich schon halb sieben, nur eben nach alter Zeit. Sehr schnell macht er klar, dass er keines Falls wieder einschlafen wird. So stehen wir eben auf, es wird eh ein Aufräum-Sonntag. Warum den dann nicht auch schön in die Länge ziehen… Aber wir frühstücken in Ruhe; Nur Toast und Müsli, keine Brötchen: Der Bäcker öffnet erst um sieben. Was soll’s, Geld gespart.

Andererseits haben wir tatsächlich einfach mal die Bude durchpusten können. Dieser ganze Krümel-Kram, der Bodensatz des alltäglichen Lebens, der sich immer ansammelt, den man einfach „irgendwohin“ legt, der schlicht keinen Platz hat, diese ganzen Ablagerungen, die sind einfach mal … Nee, natürlich nicht komplett weg. Wenigstens aber aussortiert, weggeschmissen und der Rest zusammengekehrt und verstaut. Kleinanzeigen haben wir auch gefüttert, mit Umstandskleidung, Kinderklamotten, Schuhen, Baby-Spielzeug … Vieles davon sollte sich besser in den nächsten paar Wochen verflüchtigen, sonst hilft nur Entsorgung. Genau genommen geht es uns dabei ja auch nicht vordergründig ums Geld, sondern ums nicht wegschmeißen müssen. Aber wenn’s keiner will, geht’s halt den Weg alles irdischen. Vielleicht wird einiges auch eine gut gemeinte Spende. Aber ihr wisst ja sicher, wie ich: Gut gemeint ist das exakte Gegenteil von gut gemacht.

Zum Kochen hab ich immerhin Zeit. Viel brauch‘ ich nicht für einen süßsauren Linseneintopf. Gemacht hab ich den vor allem wegen Alina, die mag Linseneintopf. Sonst mag sie fast nichts, isst fast nichts und dann nur komische Sachen, Linseneintopf süßsauer zum Beispiel. Zu einem abschließenden Urteil über meinen kommt sie nicht, sie ist schwer erkältet und schmeckt nicht viel. Ohrenschmerzen gesellen sich auch langsam dazu, klassischer Infekt also. Das wird nix mit der Schule morgen, und auch Hobby-Horsing wird sie sausen lassen müssen.

Eigentlich ist das ein Novum: Im Gegensatz zu Jannika war sie noch nie so krank, dass sie nicht hätte zur Schule gehen können. Da war Alina immer ein bisschen neidisch auf ihre kleine Schwester: Einfach mit Papa im Homeoffice abhängen. Janni hat immer alles mitgenommen, was auch nur auf der anderen Seite des Schulhofs zu sehen war.

Mika geht schon kurz nach vier wieder schlafen, der ist auch noch angekratzt. Bei ihm klingt die Erkältung gerade ab. Ganz vielleicht kann er morgen wieder in die Kita, seinen Rotz wird man da tolerieren müssen – den wird er bis Frühjahr sowieso nicht los werden. Kein Kleinkind in der Krippe wird das von Anfang Herbst bis Ende Frühling los. Wenigstens schläft er dann wirklich lange, kriegt aber natürlich irgendwann nachts wieder Hunger. Mit der Brust gibt er sich dann nicht zufrieden. Nein, aufstehen, in die Küche gehen und da irgendeinen Post-Mitternachts-Snack aus Obst, Müsli oder Toast reinpfeifen. So isser drauf.

(swg)

Mikas Eingewöhnung in der Kita hat gut geklappt, er fühlt sich ganz offensichtlich wohl da. Er marschiert fröhlich durch Eingangstor und -tür und ist eher ungeduldig beim Umziehen. Gleich gibt’s nämlich Frühstück – denkt er. Jetzt, wo Maria und ich wieder arbeiten gehen, gebe ich ihn deutlich früher ab: Zwischen viertel und halb acht. Die Frühbetreuung findet gemischt mit dem Kindergarten statt, dadurch ist keine seiner Erzieherinnen da; Frühstück gibt’s erst gegen acht. Das ist so der einzige Punkt, der ihm missfällt: Mika steht jetzt wieder sehr lange zögernd an der Zimmertür. Wenn ich ihn dann doch über die Schwelle schiebe, am besten wenn gerade noch ein Kind abgegeben wird, verzieht er sein kleines Gesichtchen. Wirklich lange ist er aber nicht betrübt, weint wohl auch nicht. Sagt man mir jedenfalls beim Abholen.

Eigentlich holt Maria Mika nachmittags ab, heute aber nicht. Die beiden Großen brauchen noch Begleitung zu ihrem Parkour-Kurs; Der findet jetzt Mittwochs und oben in Gompitz statt. Damit ist montags Zeit für Hobby-Horsing frei geworden, das andere Steckenpferd meiner beiden Töchter. Was am wichtigsten dabei ist: Alina trifft ihre allerbeste Kindergarten-und-immer-noch-Freundin wieder. Die geht seit dem Kindergarten auf eine andere Schule, aber das Band ist halt nie zerrissen. Jedenfalls sind Hin- und Rückweg zum Parkour mit den Öffis nicht so trivial. Und weil Maria also die Begleitung gibt, hole ich Mika aus der Kita ab.

Zusammen mit dem Kindersitz und dem Obst-und-Gemüse-Einkauf vom Mittwochs-Markt ist das auf dem Fahrrad schon eine kleine Herausforderung. Die beiden Taschen vorn am Lowrider wiegen zusammen 14 Kilo; Ich hab Bammel, dass da eine Schraube aus der Gabel reißt. Ganz abgesehen davon, dass sich das jetzt schon recht beschissen lenkt: Hinten sitzt ja noch Mika in seinem Römer. Wenn der noch aus lauter Freude rumhampelt, dann schlingere ich wie besoffen und brauch die ganze Straße. Heute geht’s aber, mit etwas Umsicht und langsamer. So weit ist der Heimweg nicht.

Im nieseligen Kackwetter des heutigen Mittwoch zieht es mich eigentlich in die Wohnung. Auf rumsitzen am Sandkasten im Hof hab ich keinen Bock. Lediglich mein Vogelhaus geh ich kontrollieren. Vor zwei Tagen hab ich zuletzt gefüllt, naja, vielleicht ein Viertel fehlt: Mika nimmt mir den Becher aus der Hand und schöpft selber Körner aus dem Eimer in den von mir gehaltenen Trichter. Die Körner rascheln in dem Milchkarton hinunter. Viel braucht’s ja nicht. Man hört inzwischen ein paar Vögel krakeelen, die große Spatzenschar fehlt aber immer noch.

Für mehr interessiert sich auch Mika heute nicht im Hof, zum Glück. Aber er will vorne aus dem Treppenhaus wieder raus. Naja, meinetwegen. Recht zielsicher schlägt er den Weg Richtung Einkaufen ein. Zu spät fällt mir ein, dass ich mein Portemonnaie in den Fahrradtaschen vorm Aufzug gelassen habe. Und die ein Euro zwanzig in meiner Hosentasche werden nicht weit reichen. Beim Bäcker würde ich damit schon abblitzen.

Mika nimmt derweil jeden Poller mit und balanciert auf jeder Einfassung bis zum Konsum. Dort schnappt er sich einen Kinder-Einkaufswagen, bedeutet mir, ich soll da mal oben am Griff mit festhalten; Dann ziehen wir los. Einkaufen. Nach ein bisschen wahllosem Regale-Räubern entscheidet er sich für Pflaumen. Testweise leg ich eine auf die Kontroll-Waage: Dafür wird’s Hosentaschengeld reichen. Das man erst bezahlen muss, hat Mika noch nicht so verinnerlicht. aber auf dem Arm sitzend kann er mit mir nur an der Kasse warten. Wozu die Pflaume da auf dem schwarzen Band liegt, ist ihm scheint’s ein Rätsel. Neunundvierzig Cent später gehen wir zur Bank im Eingangsbereich. Dort sitzen wir dann, er beinebaumelnd, und essen die Pflaume. Also ich achtel sie mit dem Fingernagel und er katscht das Fruchtfleisch von der Schale, den Rest krieg ich zurück. Eigentlich würde er noch eine zweite Pflaume essen, draußen weiter spazieren ist aber auch ok.

Im Niesel spazieren wir einmal ums „Räcknitzforum“ herum. Als das Geschäfts- und Bürogebäude noch „Paradiesgarten“ hieß, war das eine schamlose Übertreibung. Der neue Name nähert sich der 90er-Jahre-Hässlichkeit etwas besser an. Ist trotzdem verschwendeter Beton. Vieles steht leer, weil einerseits die Mietpreise absurd hoch liegen und andererseits das Charme einer angehübschten Baracke durchs innere weht. Es ist hoffnungslos.

An der Straßenbahnhaltestelle wendet Mika dem Räcknitzforum verdienter Maßen den Rücken zu. Er will zu den Hochhäusern: Zu dem Wohngebiet führt eine Treppe – und das ist schließlich das Allerbeste: Eine Treppe hoch steigen.

Irgendwie scheint er aber noch ein anderes Ziel zu haben. Ohne Umwege schleift er mich geradeaus durchs Wohngebiet. Ich ahne es; Da hinten, neben dem letzten Hochhaus ist ein Spielplatz. Aber dass er sich daran erinnert?! Einmal war er hier mit Oma. Ja, wirklich. darauf hält er zu. Die Rutsche ist super, denn sie ist hoch. Sehr, für seine Verhältnisse.Uff! Das war ein ziemlich harter Aufschlag auf seinen kleinen Hintern. Eine Nasse Rutsche und eine Matschhose geben in der Kombination viel Schwung. Mika hat’s ziemlich weit von der Rutsche katapultiert und quasi sitzend auf den Kies knallt. Das ist aber nicht, worüber er sich beschwert: An seinen Händen kleben die nassen Kieselsteinchen, das findet er sehr doof. Nochmal rutschen will er trotzdem nicht. Vom Laufen hat er auch genug, ich trag‘ ihn jetzt einfach schnurstracks nach Hause. Gänzlich gegen seinen Willen scheint das nicht zu sein.

(swg)

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