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Den Tag haben wir besser im Griff, als den gestrigen. Zwei Etappen sind diesmal geplant, die erste endet an einem See. Es ist Sommer, die Kinder wollen natürlich baden – am liebsten im Meer, aber See ist auch ok. (Und ich weiß, dass es bei Salzwasser eh Gemäkel gäbe…). Aber mit der Pause wird die Fahrerei den Kindern nicht zu lang und sie haben ihren Spaß. Ich weiß nicht, warum wir vergessen hatten, wie es gut funktioniert. Vielleicht haben wir auch nur unsere Reisegeschwindigkeit mit dem Chevy überschätzt.

Mittags sind wir in Żnin, einem kleinen Städtchen mit besagten Badesee. Der Strand ist öffentlich und frei benutzbar. So wasserbegeistert, wie die beiden Großen, ist Mika nicht. Er platscht ein bisschen an Ufer herum, dann matscht er lieber im Ufersand.Bald wendet sich dann aber lieber dem Spielplatz zu. Ich staune ein bisschen, dass er so selbstverständlich mit nackten Füßchen über den Kiesweg stiefelt. In der Mittagshitze ist der Spielplatz leider nicht benutzbar, kein Schatten und der Sand glüht fasst. Auch wenn Mika noch nichts sagt, ich muss ja nicht darauf warten, dass er sich seine Füße verbrennt. Aber die Treppe drüben am Restaurant tut’s für Mika auch: Da kann er endlos rauf und runter tapsen.

Gegen vier beenden wir den Badespaß. Es sind Unwetter von Westen her angekündigt und so langsam zieht es zu, der Wind frischt auf. Wir versuche gen Osten zu fliehen, was mit den Chevy nicht so schnell geht, mehr als 100 km/h fährt man nicht, sonst säuft er noch mehr, als eh schon – vom Fahrverhalten bei dem Fahrwerk mal ganz abgesehen.

Mika schläft während der Fahrt gerade mal eine Stunde, dann krakeelt er in seinem Sitz, will einfach mal raus. In der kurzen Zwangspause auf einer wilden Brache können wir einen Blick zurück über die Weichsel werfen, und betrachten, was uns bald blüht. Blitze zucken unheilvoll in der verfinsterten Ferne.Beim Wenden auf der wilden, als Parkplatz missbrauchten Brache, denke ich noch ‚Eigentlich fährt man durch nix, was man nicht gut einsehen kann‘. Prompt rumpel ich über einen dicken Stein, als ich einen Bogen durchs wuchernde Grün pflüge. Mehr als ordentlich schaukeln und Gequieke aus der zweiten Reihe passiert nicht. Kniehoch Bodenfreiheit unterm Chevy-Schweller rettet mich, ich sollte aber wirklich mehr auf mein Bauchgefühl hören.

Während wir dem angepeilten Campingplatz zustreben holt uns das Unwetter ein. Stürmische Böen wehen dichte Wolken von Erntestaub über die Straße, es ist düster, wie halb zehn abends. Endlich biegen wir von der Landstraße ab. Dicke Tropfen platschen auf die Scheibe. Die Nebenstraße ist extrem holprig, mehr Flicken als Fahrbahn. Schon 50 km/h sind zu viel, sagt wenigstens die zweite Reihe. Wir meandern durch Weltuntergangsstimmung auf schmalen Sträßchen von einem Siedlungshäuschen zum nächsten immer durch Felder. Die Sträßchen werden eher schlimmer, weil jetzt immer mehr Flicken im Asphalt fehlen. Und es beginnt zu schütten, wie aus Eimern. Nächster Abzweig rechts: Schotterpiste. Vorbei an noch zwei Häusern geht es in den Wald. Ohne Schotter, zwei Fahrspuren mit Grün dazwischen. Das wir noch richtig sind, zeigen handgeschnitzte Holzschilder mit ‚Camping‘ als Aufschrift. Den Abzweig hätte ich fast verpasst! Der wurzelige Pfad rechts den Berg hinunter sieht auch eher wie ein Wanderweg aus. Aber was soll mit den Chevy schon schief gehen? Am Ende findet sich tatsächlich eine Campingwiese mit einem Schild mit Telefonnummern drauf. Es komme in ein paar Minuten jemand, heißt es am anderen Ende, wir werden aufgenommen.

Den Platz hat Maria vorher recherchiert und wir wissen, dass es hier eine Gemeinschafts-Hütte gibt. Wie großartig die aber ist, ließen die Fotos nur erahnen.Es gibt Couch, Esstisch und eine Küchenzeile, alles da fürs Abendbrot. Hier dürfen wir heute auch drin Schlafen, was ob des Unwetters keine schlechte Idee ist; Wir sind die einzigen Gäste. Außerdem muss ich morgen früh kein nasses Dachzelt zusammenklappen; Das bleibt zu, nur der Chevy wird nass.

(swg)

Vielleicht will ich zu viel, zu schnell, zu … Weiß ich nicht. Uns fehlt Routine mit dem Dachzelt, mir fehlt Vertrauen in den Chevy, den Kindern fehlt ihr Freiraum. Unsere zweite Etappe mit über 350 km war überambizioniert. Mit dem Chevy ist man nicht schnell und von Südwesten nach Nordosten durch Polen sowieso nicht. Das alles zusammen fühlt sich gerade einfach nur falsch an.

Der erste Campingplatz war eigentlich gar nicht so schlecht, ein privater im Wald – Strom hätt’s, Wasser auch, aber kein Abwasser. Für nur eine Nacht zum Stehen vollkommen ok.Dahin haben wir schon mal die Qualität von Polens Hinterland-Straßen erleben dürfen: stark ausbaufähig sanierungsbedürftig.

Der Abbau hat ziemlich Zeit gekostet, wie gesagt fehlt uns einfach die Routine am Dachzelt. Und auch eine sinnvolle Ordnung in allen Kisten muss erst hergestellt werden. Es muss sich erst finden, was wir wirklich immer direkt im Zugriff brauchen, und was vielleicht tiefer verbuddelt sein darf.Bis halb zwölf brauchen wir für die Abfahrt…

Unseren Zwischenstopp mit etwas Ergänzungseinkauf haben wir in Świebodzin eingelegt.Świebodzin JesusHier steht Jesus’s weltgrößtes Abbild, größer sogar noch, als auf dem Zuckerhut. Vermutlich muss man gläubig sein, um das großartig finden zu können. Viel Beton für eitles Geprotze.Unser Mittagspicknick aus Tomate-Mozzarella in seinem Schatten schmeckt jeden Falls.

Eigentlich liegt unser Ziel-Campingplatz deutlich hinter Poznan. Aber es zieht sich und so zielen wir kürzer auf einen kleinen Zeltplatz an einem See. Dort angekommen müssen wir feststellen, dass man einen Platz bis 16:00 Uhr im Gemeindehaus hätte reservieren müssen. Damit haben wir nicht gerechnet. Und jetzt? Mika hat keinen Bock mehr auf Autofahren, ist totmüde, schläft im Auto aber trotzdem nicht. Weiterfahren wird zum Geduldsspiel werden. Herausgesuchte Plätze haben wir erst wieder in einer dreiviertel Fahrtstunde – der ursprünglich angepeilte zum Beispiel. Wir werden es riskieren müssen, hier am See können wir nicht bleiben. Vielleicht gibt es eine knappe halbe Stunde weiter einen privaten Campingplatz. Einen Versuch ist es wert.

Wir finden den Platz schnell; Aber spannend, das der Asphalt mal wieder längst aufgehört hat, ehe wir vorm Tor stehen. Hübsch ist es jedenfalls, mit Froschteich.Strom gibt es, Wasser auch und Dusche, sowie Toiletten sind vorhanden. Mika watet erstmal in den Froschteich, ist aber sehr glücklich dabei.

Wir müssen definitiv unsere Tagesetappen anders planen. So wie es jetzt ist, stresst es gerade alle zu sehr. Naja, morgen sehen wir weiter.

(swg)

Der Tag hat mich emotional fertig gemacht. Eigentlich hätten wir längst im Baltikum unterwegs sein sollen. Am Bus hat sich aber alles so dermaßen in die Länge gezogen, nichts hat auf Anhieb geklappt. Aus- und Einbauten haben viel mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich mir je vorgestellt hab‘. Dazu Probleme erst mit dem Motorlauf, dann mit der Bremse hinten.

Als ich das BMS meines selbstgeklöppelten Akkus in Betrieb nehmen wollte, meldeten sich drei Zellen mit dem ECS-BMS auf dem Modbus, die vierte nicht… Man wollte mir auch nicht einfach eine neue Platine schicken. Nein, ich solle meine einschicken, dann bekomme ich sie repariert zurück. Irgendwann. Ich fühle mich im Stich gelassen.

Also habe ich letzte Woche einen fertigen Akku bestellt. Natürlich hat die Lieferung bis Samstag nicht geklappt. So saß ich heute wie auf heißen Kohlen, ständig das Tracking von DPD aktualisierens. Und das Tracking ist die Gamifikation unter den Paket-Verfolgungsdiensten! Das Zeitfenster schob sich von Vormittag bis in den zeitigen Nachmittag. In 20-Minuten-Schritten!

Immerhin: Gegen 14:00 Uhr hielt ich den Akku endlich in den Händen. Kurzes Nachmessen zeigte eine valide Spannung von 13,2 Volt. Stecker krimpen, anschließen, App checken. Entgegen aller bisherigen Erfahrungen klappt der Einbau gänzlich unkompliziert: Auf Anhieb spielt der Victron Solarregler mit. Also alles rein in den Bus: Klamotten, Kisten, Kinder. Los! Das erste Ziel liegt in Polen, ein privater Campingplatz im Wald, es sind nur gut 150 km. Aber wir sind endlich aufgebrochen.

(swg)

Tatsächlich hat mir den Demoaufruf für heute mein Bruder geschickt, nachdem er ihn von meiner Mutter bekam. Andernfalls wäre der an mir vorbei gegangen.Mal abgesehen von den Schweinereien, die Correctiv dokumentiert hat, war mein Hauptgrund fürs Hingehen eher eine anderer. Eigentlich mache ich mir Sorgen, dass es in Dresden zu einer eher mickrigen Veranstaltung wird. Das wäre mir wahnsinnig peinlich und wenn es wirklich so wird, will ich auf keinen Fall mit Ursache dessen sein.

Ein bisschen spät sind wir dran. Mittagessen und Mika, dazu ist Alina sich nicht sicher, ob sie wirklich mit will. Fahrrad-Demo ist ja das Eine. Aber einfach nur rumstehen der Anwesenheit willen? Am Ende brechen wir doch alle zusammen auf.

Die Straßenbahnen Richtung Innenstadt sind gut gefüllt für einen Sonntag und immer mehr steigen zu. Sehr viele steigen dann am Postplatz aus und gehen alle in die gleiche Richtung, zum Schlossplatz. Meine Sorge erweist sich als unbegründet. Kurz nach 14:00 Uhr ist es proppevoll. Es gibt gar keine Chance überhaupt bis auf den Schlossplatz zu kommen. Und es strömen immer noch Menschen her. Offenbar steht auch die ganze Augustus-Brücke voller Menschen, wie auch die Brühl’sche Terrasse. Von der Bühne sehen oder hören wir nichts.

Irgendwann soll sich die Demo in Bewegung setzen. Der Liveticker verrät, dass hinter den Kulissen die Route neu verhandelt werden muss: Es sind zu viele da, viel mehr als gedacht. Nicht nur die schiere Masse an Menschen ist beeindruckend, es sind quer durch die Bevölkerung alle vertreten, von ganz jung bis ganz alt. Studenten, Familien mit Kindern, Rentner, alle sind dabei, friedlich, fröhlich, teils »sauer auf die Nazischeiße, dass sie sogar ein Schild gebastelt haben«.

Man scheint sich geeinigt zu haben, man läuft los. Wir warten ein bisschen, dass es sich etwas lichtet und gehen dann mit.Über Postplatz, Wilsdruffer und Carolabrücke geht’s zum Goldenen Reiter.Die Abschlusskundgebung lassen wir aus, Mika hat keinen Bock mehr. Als wir direkt weiter über die Augustusbrücke zum Postplatz gehen, sind auf der Carolabrücke immer noch Menschen. Wir waren ca. in der Hälfte, vielleicht etwas weiter vorn. Am Goldenen Reiter reicht der Platz schon jetzt kaum aus und die Carolabrücke ist noch immer komplett mit der Demo gefüllt. So viele Menschen! Ich weiß nicht, wann Dresden zuletzt so eine große Demo erlebt hat.

Es war eine gute Veranstaltung, es kursieren Zahlen von 20.000 (DNN) über 30.000 (SäZ) bis 50.000 (Zeit). Das ZDF spricht von 25.0000 Teilnehmern. Mich beruhigt es etwas, das aus der sonst so stillen Mehrheit eine geworden ist, die sich zeigt. Hoffen wir, dass sich das in den nächsten Wahlen spiegelt.

(swg)

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