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Wir brechen zum Essen auf. Als wir wieder unterm Uhrenturm durchkommen, finden wir die Gedenkstädte offen. Wir kombinieren: Die Lokalpolitik war wohl zur Eröffnung hier.
Wir sehen uns etwas um. Blöder Weise haben wir keine Kamera dabei. Die Ausstellung zeigt Bilder aus L’Aquila und Fontecchio vor und nach dem Beben und zählt die Opfer. Ein Touchscreen erklärt kindgerecht das richtige Verhalten beim Beben, wie sie entstehen usw. Sogar auf den Uhrenturm können wir hochsteigen, das Stundenwek der Uhr ist recht interessant.
Nunja, wir haben Hunger.

Der Weg zum Il Sirente stellt sich als ebenso weit heraus wie zum Del Rio. Genauer gesagt ist es das alte Kloster, das wir heute nachmittag gesehen hatten.

Sehr einladend steht auf dem Schild Bienvenue, Welcome, Bienvenuto, Willkommen. Puh, hier wird man uns verstehen.

Etwas eingeschüchtert sitzen wir im Kleinen Saal. Die legere Kleidung der anderen beruhigt uns etwas. Der Kellner legt uns Karten vor: Italienisch, Getränke nicht verzeichnet. :| Und der Kellner versteht nicht ein Wort englisch, nur italienisch. Aber auch seine Gesichtszüge entgleisen ganz kurz.

Die Getränke lösen wir kurz, ich hab’s sehr einfach mit „una birra“. Maria quält sich mit Orangensaft, der auch als orange juice nicht verstanden wird. Aber doch: „orange?“ „orange!“ „si orange.“ Ein Liter-Krug Fanta kommt. Na, auch gut.

Wir inspizieren die Karte und erkennen so gar nichts, können auch nichts wirklich deuten. Da wir nicht zu groß essen wollen, halten wir uns an die Hauptgerichte, bzw. zweite Gänge: müsste eigentlich Fleisch sein. Maria entscheidet sich für Tagliare di Manzo, weil Ruccola drin vorkommt und Parmigiano sicher nicht in unerträglichen Mengen dabei sein wird. Ich nehme das Filetto di Manzo in der Hoffnung, dass es ein Rinderfilet ist – Schwein wäre auch gut, aber unwahrscheinlich. Die erwähnten Funghi mag ich sicher.

Bei der Wahl des Gerichtes huscht ein Grinsen über des Kellners Gesichte. Er weiß von unsere Unwissenheit ob unserer Bestellung.

Mit dem Rinderfilet in Pilzen behalte ich recht. Maria bekommt Roastbeef im Ruccola-Bett und einer Sauce aus Parmesan. Beides schmeckt großartig, das Fleisch ist unglaublich zart. Nachdem auch Bier und Limo geleert sind, freut sich der Kellner scheints sogar etwas übers „il conto, per favore“.

Satt und sehr gut gelaunt treten wir den Heimweg an.

(Maria, swg)

Saskia hat uns zwei Restaurantes in Fontecchio aufgeschrieben das Del Rio und das Il Sirente. Die versuchen wir jetzt zu finden. Wir pilgern durch das recht große Dorf zur Piazza. Unter dem Uhrenturm

gibt es eine verglaste und vergitterte Tür: Eine Erdbeben-Gedenkstädte für die Opfer des Bebens im April 2009. Leider ist sie geschlossen. Wir ziehen durch die schmalen Gassen, Trepp auf, Trepp ab. Beeindruckend, wo man überall Gebäude auf und an den Fels geflanscht hat.


Die Narben, die das Beben 2009 hinterlies, sind allzuhäufig noch zu sehen. Stahlanker, Holzstützen und Spanngurte verhindern, dass Häuser auseinander brechen.

Als wir auf die Piazza kommen, herrscht da großes Bohai. Carabinieri und Protezione Civil stehen rum. Irgendwas ist hier los. Wir erledigen erstmal unseren Einkauf im örtlichen Mini Market. Anschließen wollen wir das Restaurant Del Rio inspizieren, finden es auch. Wir entscheiden, dass uns das zu weit draußen liegt, wir werden ins Il Sirente gehen. Aber das alte Kloster da oben sieht interessant aus.

Ob man das besichtigen kann?

Zurück auf der Piazza laufen inzwischen auch noch etliche dunkle Anzüge mit noch dunkleren Sonnenbrillen rum und schütteln sich gegenseitig die Hände.


Was ist hier los? Sieht aus, als ob sich die Lokalpolitik ein Stelldichein gibt. Irgendwas mit dem Erdbeben? Wir sind Touris, also glotzen wir doch ein bisschen – bequem von den Stühlen auf der Terrasse der Bar aus, mit due cappuccini beobachten wir ein wenig das Geschehen. Aber die Meute Anzüge mit einer Frau mit Scherpe an der Spitze rückt schon bald in die Altstadt ab. Hm, schlauer sind wir nun auch nicht.

Fragen wir doch die jüngeren Leute am Nachbartisch: Deutsch? Englisch? – Spanisch? kommt zurück. Babylon perfekt. Tatsächlich ist wohl die Lokalpolitik hier. „Abruzzenchef“ – aber er sei Römer und kenne die Namen hier nicht. Warum die hier sind? weiß er nicht. Naja, gehen wir zurück zum Wachturm. Während ich schreibe und die Sonne hinter den Bergen versinkt heult eine Turbine laut auf: Die große Politik macht wieder den Abflug, per Hubschrauber.

(Maria, swg)

Fast tut es uns ein bisschen leid, Tommie so allein da unten unterhalb der Mauer zu lassen. Wir buckeln das Gepäck das letzte Stück selbst hinauf.

Schmale Gässchen empfangen uns.


Lang müssen wir mit Saskias guter Beschreibung nicht suchen, um unseren Vermieter Alessio zu finden. Einen freundlichen Herrn mittleren Alters stöbern wir hinten im Garten auf.

Heute übernachten wir im TORRE DEL CORNONE, einem alten Wachturm. Auf zwei Etagen sind wir ganz zauberhaft untergebracht. Unten gibt es eine winzige Küche mit Tisch und ein kleines Bad. Eine schmale Treppe hinauf

geht es ins Schlafzimmer.



Lang halten wir uns trotzdem nicht auf. Nur die Dusche ist nach zwei Tagen ein Hochgenuss. Anschließend wollen wir Fontecchio erkunden.

Hier gibt es zwar auch noch Alessios private Bibliothek mit Internet, aber das ist zurückgestellt.

(Maria, swg)

vom Lago di Tempra durch Pagliare di Tione und di Fontecchio
„Zwischen 6 und 7 aufbrechen“ steht in der Wegbeschreibung. Leider hat gestern Abend Marias Handy-Akku noch schlapp gemacht, so haben wir keinen Wecker. 6:20 Uhr sind wir trotzdem wach – na immerhin. Nach einer eher weniger ausgiebigen Morgentoilette (wir erinnern uns: kein Strom, Wasser aus einem 20L-Kanister) räumen wir auf und sind abmarschbereit. Kurz vor acht… ohne Kaffee ist mit mir scheint’s nichts los – aber da bin ich selber schuld, das ich mir keinen gemacht habe.

Tommie strebt vorwärts und ich fürchte, es liegt daran, dass unser Weg uns ein Stück weit zurück nach Hause führt, Richtung Heimat. Das war schon gestern Nachmittag immer wieder seine Sehnsucht.

Während wir uns der kritischen Wegkreuzung nähern, knistern wir etwas mit den Frühstücksknabbereien. Eine Eselnase schiebt sich neugierig näher. Na sowas. Wäre ja auch ein Wunder, wenn ausgerechnet unser Tommie kein verfressenes Wesen wäre. Das ist doch nutzbar ;) Wir zögern unsere Schokocroissants etwas hinaus und rascheln fleißig. Tommie ist die Kreuzung aber sowas von egal, brav – und verfressen – biegt er mit uns nach Pagliare di Tione ab. Dreißig Meter weiter kriegt er das letzte Stückchen Croissant. Zufrieden schmatzt er hinter uns her. Was verpasst? Nö, scheinbar nicht.

Trotzdem die Sonne schon hoch steht, ist es immer noch frisch, es fehlt ihr noch die volle Kraft. Wir kommen gut voran, Tommie rupft nur hin und wieder etwas vom Straßenrand,

trappelt aber fleißig weiter.

Die Schotterpiste ist zur Straße geworden, die sanft mal bergan mal bergab am Hang entlang führt. Wir können das Tal bis Pagliare di Tione überblicken.

Ein spätes Reh oben am Hang ist das einzige Wesen, das wir zu sehen bekommen. Autos fahren hier keine.

Als wir uns Pagliare di Tione nähern, sehen wir auf dem Talboden Rinder weiden. Sie bimmeln herüber mit ihren Glocken, Tommie schreit einen Eselsgruß zurück. Er liebt Viecher aller Art. Da muss er jetzt aber öfter mal stehen bleiben und gucken – könnte er Stundenlang. Es bedarf einiger Überzeugungskraft, dass er mit uns weiter muss.

Pagliare nennt man die oben in den Bergen liegenden Hirtendörfer zu den Ortschaften. Früher hüteten die Männer hier das Vieh. Nur in den Sommermonaten waren Frauen und Kinder mit hier oben. Heute sind die Dörfer oft verfallen. Doch es gibt ein paar Römer, die sich die steinernen Hütten zu Sommer- und Wochenendhäusern umbauen. Wer hier hoch kommt, will seine Ruhe und derzeit kriegt er die auch. Nur selten kommen ein paar Eselwanderer vorbei.

Am Dorfbrunnen legen wir eine Rast ein.

Ein paar Frösche schwimmen drin rum.

Tommie wird wieder der Sattel abgenommen. Grünes gibt es hier reichlich, dem er sich auch gleich zuwendet.

Wir erkunden das Dorf. Römer sind da. Friedliche Einsamkeit ansonsten. Auf einem Stein sonnt sich eine Eidechse.

Nur die Rinder bimmeln. Tatsächlich findet man hübsch hergerichtete Hütten.


Zurück am Brunnen haben drei Kinder Tommie entdeckt. So schüchtern ist er gar nicht, lässt sich die Stehmähne kraulen. Ein weiteres Mal bereue ich es, so gar kein Wort Italienisch zu können. Immerhin etwas Schulenglisch können die beiden Älteren. Wie heißt der Esel? Woher? und der Esel? Wohin?

Nach einer dreiviertel Stunde Rast brechen wir wieder auf. Der Weg ist noch weit, besonders hinter Pagliare di Fontecchio soll es anstrengend werden.

Unser Pfad führt nun unten am Talgrund entlang. Links und rechts steigen die Hänge sanft an, um links an den schroffen, steilen Felsenwänden des Monte Sirente zu enden. In Schlangenlinien winden wir uns durchs Gestrüpp nach Pagliare di Fontecchio.

Langsam treten die stacheligen Büsche zurück und geben den Blick auf eine Weide über die ganze Breite des Tals frei. Und auf Rinder.

Eine ganze Herde. Die bimmeln. Unser Pfad geht rechts vorbei. Je näher wir kommen, desto mehr neugierige Köpfe wenden sich uns zu. Köpfe mit Hörnern, laaangen Hörnern, wie wir feststellen.

Tommie grüßt wieder nach Eselsart und auch die letzte Kuh hat uns jetzt gesehen. Danke Tommie. Wir sind fast an der Herde. Erste neugierige Schritte werden auf uns zu gemacht. Na, großartig! Mit einer gewissen Befriedigung stelle ich fest, das Tommie freiwillig nach rechts abdriftet, weg von den Rindern. Ich muss sogar etwas grinsen, als er ein kurzes Stück trabt, als er die Wanderbewegung der Rinder in unsere Richtung sieht. Ganz egal ist’s ihm also auch nicht. Braver Tommie. Zum Glück sind die Rinder auch faul und bleiben wieder stehen. So interessant sind wir dann auch nicht. Schauen uns nur etwas nach.

Nach einer Mittagspause in Pagliare di Fontecchio wandern wir über den nächsten Kamm. Von dort windet sich der Pfad in Serpentinen steil den Berg hinunter.

Meist tief im Wald verborgen, öffnet sich ab und an der Blick ins Tal.

Immer wieder müssen wir verschnaufen. Und wir bemerken einen grausamen Verlust: Eine von Marias Teva-Sandalen hängt nicht mehr auf Tommies Rücken. Trotz Rettungsspurt zurück ist sie nicht aufzufinden. So ein Mist!

Hilft nichts, wir müssen weiter – und auch Tommie behält das Ziel im Blick.

Da drüben liegt Fontecchio, da müssen wir heute hin.

(Maria, swg)

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