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Mir gefallen die Campingplätze in Lettland sehr. Es sind meist kleine, privat betriebene Plätze, allerdings mit einer mich sehr ansprechenden Ausstattung. Toiletten und Duschen sind in einem sehr ordentlichen Zustand, meist auch neueren Datums, und oft gibt es auch eine Gemeinschaftsküche. Auf den letzten beiden hätten wir auch Wäsche waschen können. Google Maps hilft hier nicht allzuviel, um die Plätze zu finden. Park4Night funktioniert besser, man kann aber auch einfach einem der Straßenschilder folgen.

Unser Platz letzte Nacht war sogar mit kleinen Häusern und Hütten ausgestattet, einige mit Pool. Fetzt. Was es nicht gab war ein Zugang zum Strand, dafür läuft man doch einen ganz schön langen Umweg. Gefehlt hat der uns jetzt nicht, wir brauchten nur einen Übernachtungsplatz. Heute geht es weiter Richtung Riga.

Zwei Ziele haben wir: Es gibt einen Nationalpark mit wilden Tarpan-Pferden am Engures ezers (Angernsee) und einem Orchideenpfad. Außerdem wollen wir noch einen Barfuß-Pfad beschreiten.

Engures ezeres Nationalpark

Wie so häufig, wenn man in Lettland von der Landstraße abbiegt, ist die Straße zum Nationalpark-Parkplatz eine Schotterpiste. Der Parkplatz selbst liegt im Wald, von dort führt ein breiter Weg zum Aussichtsturm am See. Die Menge der Besucher überrascht uns, andererseits ist Samstag, also Wochenende. Für kurz nach Mittag ist trotzdem erstaunlich viel Betrieb.

Mika ist natürlich gerade erst eingepennt, wir lassen uns viel Zeit damit, uns unseren Kram aufzubuckeln. Schließlich wecken wir den Fratz aber doch. Natürlich will er nicht in die Kraxe, aber immerhin läuft er. Nach einem Kilometer will er doch lieber getragen werden, mit einer Wurst lässt er sich bestechen und in die Kraxe pflanzen. Der Weg ist breit und von einem Zaun begrenzt, der vermutlich eher die Besucher draußen, als die Tiere drin halten soll.

Zum Aussichtsturm geht es dann rein ins Gelände, teils über einen Holzsteg. Sowohl die Wildpferde als auch die Rinder können wir sehen.Saisonbedingt ist zwar keine richtige Vogelbeobachtungszeit, ein paar gibt es aber schon zu sehen. Der See selbst sieht dem in … ähnlich: Auch hier fehlt an vielen Stellen die typische Ufervegetation aus Schilf und sträuchern. Wahrscheinlich tun die Rinder ihren Dienst daran und helfen so die Verlandung des Sees zu verhindern. Die Pferde weiden eher das Gras ab. Zu lange halten wir uns dann doch nicht auf,hier auf der offenen Fläche brennt die sonne ganz schön runter, da ist der Küstenwald doch angenehmer für uns nackte Affen.

Orchideen-Pfad

Statt den gleichen Weg zurück zu nehmen, den wir gekommen sind, gehen wir lieber den alternativen Orchideen-Pfad. Er meandert in einem größeren Bogen zurück zum Parkplatz, ist viel schmaler und vor allem nimmt ihn niemand sonst.An den sumpfigen Stellen sind Holzstege gebaut, sonst läuft man über federnden Wald- und Sandboden.Auf dem teils sumpfigen, teils sandigen Boden wachsen Fichten, Schilf, Wachholder, sehr viele Heidel- und Preißelbeeren und Heidekraut. Die Mischung dieser Landschaft ist eigenartig: Heide und Moorland gleichzeitig.Es ist ganz still, kaum ein Vogel ist zu hören. An halb vermoderten Baumstamm legen wir unsere Picknick-Pause ein. Mika darf aus der Kraxe. Viele Möglichkeiten zu davonzudackeln hat er nicht, abseits des Pfades bleibt er im Unterholz stecken.Für ’ne Wurst oder ein Stück Apfel kommt er sowieso gerne zurück.

Weiter den Pfad entlang verstärkt sich Der Eindruck der „Moor-Heide“, am weg wachsen immer noch Bäume, Wacholder und Heidelbeeren, aber es gibt offene Flächen mit mehr Schilf und der Pfad meandert wieder öffter über Holzstege.Auf mich wirkt die Landschaft eigenartig vertraut, wie die Ginsterheide nördlich von Dresden, und gleichzeitig so fremd, wegen der Mischung mit dem Sumpf. Und ich muss an die „Sümpfe der Traurigkeit aus der Unendlichen Geschichte denken. Nur der Boden ist hier fester…

Alles in allem fühlt sich der Weg sehr viel weiter an, als er auf der Karte zu sein scheint. Mehr als einmal denke ich ’nun müsste aber gleich die Straße kommen‘. Nicht dass es mich zurück zum Chevy treibt, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, mich verlaufen zu haben.

Haben wir nicht, der Weg ist eindeutig und nicht zu verfehlen. Aus dem Sumpfwald heraus sind es noch 200 m die Schotterpiste hinunter zum Parkplatz. Achso: Orchideen! Nee, haben wir nicht gesehen, ich glaube, die blühen um diese Jahreszeit gar nicht.

(swg)

Wir verlassen unseren hübschen kleinen Campingplatz in Mazirbe.Die Toiletten waren relativ neu, die Duschen auch; Zwei jeweils haben bei der Platzgröße gereicht, Waschmaschine gibt es auch. Der regnerische Sommer hat einen federweichen Gras- und Moosboden gezaubert.

Nationalpark Slītere

Ehe wir zum Kap Kolka fahren, gehen wir noch wandern. Viele kleine Nationalparks laden dazuein, mit meist nicht allzulangen Rundwegen. Im Slīteres nacionālais parks gibt es zum Beispiel einen sehr schön gestalteten 3 km Rundweg. Dort kann man durch die ehemaligen Dünen spazieren und dabei gewachsene Landschaft mit Teichen und Moor entdecken.Vor 6000 Jahren begannen hier die Dünen zu überwuchern und mit der Zeit entstand ein Wald. Die Ostsee und der Wind türmten immer neue Dünen auf und die Vegetation folgte, die Küste schob sich so immer weiter ins Meer. Fichten dominieren, aber in den Tälern liegt genug Humus für Laubbäume. Teils sind die Täler sumpfig, sogar ein See hat sich gebildet. Heute noch erkennt man die alten Dünen durch die langgezogenen Hügel und Täler längs der Küstenlinie.Unser kleines Wanderpicknick halten wir auf einem umgestürzten Baum ab, mitten im sumpfigen Wald.Wir bekommen sogar Besuch – nicht nur von Mücken:Lange hat es Mika nicht in der Kraxe gehalten, er läuft einfach gern; Inzwischen sogar in unsere Richtung und auch mal an der Hand.Links und rechts des Weges wachsen Unmengen an Blaubeeren, manchmal auch Preißelbeeren. Die Kinder bedienen sich immer mal am Wegesrand, vor allem an den Blaubeeren; Aus dem Wald schmecken die einfach so viel besser, als die Kulturheidelbeeren aus dem Supermarkt.Ich finde faszinierend, wie die Landschaft ständig zwischen Dünenwald und Sumpfwiese wechselt.Gerade rechtzeitig vorm nächsten Regenschauer sitzen wir wieder im Chevy, es geht weiter zum Kap vor der Rigaer Bucht.

Kap Kolka

Das Kap hat sich gar nicht gelohnt, wenigstens nach meinem Empfinden. Kap Kolka könnte eine Spitze an jeder anderen Ecke der Ostsee sein. Ein paar Steine liegen da und ein paar Betonbefestigungen, dass die Küste bleibt wo sie ist. Etwas Treibgut und tote Bäume im Sand für den pittoresken Charme. Vielleicht hab ich mehr erwartet, zu viel, kann sein. Kann auch sein, dass der Gestank faulender Algen meine Stimmung drückt: Der Wind steht ungünstig und treibt die ans Ufer. Im Wasser sind so viele Algen, dass man braun und stinkenden raus käme. Nichts für einen kurzen Badespaß gerade. Den hatte ich mir versprochen, damit Mika Auslauf hat und er dann platt genug für die Weiterfahrt ist. War wohl nüscht.

Strategisch hatte die Landspitze natürlich ebenso eine gewisse Bedeutung, als Vorposten am Eingang zur Rigaer Bucht. Aber das war Krieg und ist lange her; Bestenfalls als Geographie- und Geschichtswissen für meine beiden Großen zu verbuchen.

Lange halten wir uns nicht auf und fahren weiter. Es ist schon nach deutlich vier Riga werden wir wohl heute nicht mehr erreichen. Müssen wir auch nicht, es gibt bis dahin noch anderes zu bestaunen in Lettland.

(swg)

Das mit dem „Es zieht sich“ bleibt, liegt einfach an uns. Erst um 8 werden wir wach, ehe ich mich gesammelt hab, ist es fast 9:00. Gleich kommt ein Bus, der mich rüber zum Stadtteil Karosta und der Werkstatt bringt, die den Chevy repariert hat. Bis vier hätte ich ihn gestern schon holen können. Genau genommen hätten wir die Ferienwohnung also gar nicht gebraucht. Andererseits ist die Wohnung so schön, ganz nah am Strand, das kann man ja auch mal genießen. Gebucht war sie nun mal und einen Stellplatz zum Zelten mit dem Chevy finden hätte ich ja auch noch müssen.

Ich mag es sehr, in fremden Städten mit dem ÖPNV unterwegs zu sein. Der Abschlepper gestern hat schon sehr skeptisch geguckt, als wir sein freundliches Angebot ausschlugen, uns noch von der Werkstatt zur Ferienwohnung zu bringen. Neben den mit Klamotten gepackten Rucksäcken hatten wir auch noch zwei Einkaufsbeutel dabei, einer recht schwer. Ganz praktisch war mein Grund, dass ich in der Ferienwohnung die Kindersitze auf dem Hals gehabt hätte. Die Möglichkeit hier einfach mit dem Bus oder der Straßenbahn quer durch die Stadt zu fahren, und schon ein bisschen was davon zu sehen, fand ich sehr reizvoll. Ist man mit dem Auto unterwegs, achtet man auf den Verkehr und sieht schlicht nichts.

Stellte sich heraus, dass das Busnetz recht dicht und eng getaktet ist. Für eine Stadt mit gerade mal 76.000 Einwohnern ist das bemerkenswert. Tickets bekommt man beim Fahrer; Google Maps findet die Verbindungen. Es ist wirklich ganz einfach. So geht es auch heute für mich zur Werkstatt zurück: Nach gerade einer halben Stunde bin ich am Ziel.Kurz und knackig geht die Übergabe des Chevy. Ich bekomme gesagt, was gemacht wurde – alter Schraubenrest raus, neues Gewinde und neuer Bolzen rein macht 65,- € – ich bezahle und schon bin ich vom Hof. Meine Route zurück auf der Karte finden dauert länger.

Zurück in der Ferienwohnung gibt es Frühstück, die Waschmaschine kriegt Arbeit und dann wollen wir rüber nach Kara-Osta fahren, den Bunker- und Batterieanlagen beim Im-Meer-versinken zugucken.

(swg)

Unser Wecker klingelt halb sieben. Das klingt vielleicht früh, aber bis zehn, wenn der Abschlepper kommt, wird die Zeit schneller rum gehen, als uns lieb ist.

Rucksäcke mit Klamotten für drei Tage haben wir gestern zusammengepackt, eine Ferienwohnung bis Donnerstag ist gebucht.Zeit genug, dass eine Werkstatt sich um den Chevy kümmern kann. Das Abschleppen und auch die Werkstatt haben wir über den ADAC organisieren lassen.

Bis zehn hab ich noch zehn Minuten: Eine Dusche. Das Dachzelt zusammenklappen lässt mich doch jedesmal in der Sonne schwitzen. So pünktlich wird der Abschlepper am Ende nicht sein. Noch bevor ich das Wasser aufgedreht hab: Ein Anruf, halb elf isser da. In Ordnung.

Der Abschlepper kommt und hat schon einen Volvo drauf: Unser Transfer nach Liepāja.Stellt sich heraus, dass das sein privater Pkw ist. Der Chevy zieht eh immer schon alle Blicke auf sich. Jetzt erst recht, wenn er Huckepack genommen wird.Zurück geht es jetzt nach Liepāja, ca. 50 km, knapp eine Stunde Fahrt. Die vom ADAC benannte Werkstatt soll sich dort das Problem der abgerissenen Schraube am Lenkgetriebe ansehen und es besten Falls beheben.Es fühlt sich seltsam an, so seinem eigenen Auto hinterher zu fahren. Ungewiss, ob wir weiter durch die baltischen Staaten reisen können. Wenn nicht, ist Liepāja mit Strand und etwas Altstadt ein netter Abschluss. Es wäre nur halt vier Wochen zu früh.

Die erste Werkstatt, vom ADAC benannt, sagt ‚Freitag‘. Und es ist kein Platz den Chevy da zu lassen. Äh. Das geht natürlich nicht. Der Abschlepper und der Werkstattmeister unterhalten sich kurz, es gibt wohl eine andere Werkstatt, die es auch richten könnte. Wir gondeln nochmal durch Liepāja, nordwärts.

In der zweiten Werkstatt guckt einer sich die Sache direkt an, ich zeige ihm die Schraube und das Problem: „Morgen fertig!“. Öh? Ich erkläre nochmal, dass das keine Metrische Schraube ist, er hätte was da. Um die Sprachbarriere zu überwinden ruft er seine Kinder an – die weilen in Köln und sprechen deutsch. Sie übersetzen. Er bleibt dabei: „Morgen fertig“. Was erschätzt, das es kostet? Muss er sehen, wie lange er braucht, den Rest der alten Schraube rauszudrehen. Gut, ich geb mich geschlagen, Werkstattauftrag unterschrieben, Kindersitze noch in den Chevy stellen. Der ist schon auf einer Bühne.Unser Abschlepper ist etwas verdutzt und fragt, ob wir wirklich nicht von ihm zum Hotel gebracht werden wollen. Ich danke vielmals, sehr nett von ihm aber insistiere: Nein. So würden wir noch was von der Stadt sehen; Bus und Bahn machen das sicher. Er lacht freundlich und zeigt auf meinen Oberarm, der eine Einkaufsbeutel mit Extrakram ist nämlich tatsächlich recht schwer. Ich hab mit Mika trainiert, der sitzt eh am liebsten auf meinem Arm.

Maria ist von der Idee auch nicht allzu begeistert. Schließlich kennen wir den hiesigen ÖPNV nicht. Aber hey, ich denke, so groß kann das Abenteuer nicht sein. Im nächsten Supermarkt besorgen wir noch eine Flasche Wasser, dann geht’s zur Bushaltestelle.

(swg)

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