von Fontecchio nach Caporciano
Wir sind ein bisschen eine Attraktion, als wir die Piazza von Fontecchio mit unserem Tommie überqueren. Lächelnde Gesichter überall. Heute morgen waren wir schon oben in der Bar Venueva, unser Frühstück ausfassen. Die Lunchpakete holen wir uns jetzt. Touristen sind hier schon nicht so häufig, mit Esel im Schlepptau erst recht.
Den Berg hinauf verlassen wir den malerischen Ort. Wir sind schon ganz schön spät dran, es geht auf halb zehn. Von der Straße biegen wir bald ab, hinein in eine alte Mulatteria – einen alten Maultierpfad. Er ist mäßig zugewuchert aber geht steil Berg an. Das Dickicht lichtet sich immer wieder mal nach rechts und wir können noch einen Blick auf Fontecchio werfen.
Auch unseren gestrigen Pfad unterhalb des Monte Sirente und dann den Hang hinunter durch den Wald können wir erkennen.
Der Schweiß perlt auf der Stirn, und läuft in Strömen übers Gesicht. Heute brennt die Sonne gnadenlos vom Himmel herunter. Nicht ein Wölkchen ist zu sehen. Endlich erreichen wir die erste Rast. Tommie will gleich Wasser aus dem Brunnen. Beim Abnehmen der Decke sehe ich das erste Mal Schweiß an ihm. Wir lassen ihn grasen und gönnen uns ein zweites kleines Frühstück: die restlichen Weintrauben und ein paar Kekse.
Unser Eselchen ist nicht nur sehr zutraulich geworden, sondern zeigt sich auch ziemlich verfressen: Ein bisschen Tütenrascheln und die Eselnase schubbst und stuppst.
Will auch was leckeres abhaben! Nix da! Schön halten wir die Tüten hinter uns. Aber dumm ist er nun auch nicht und läuft außen um die Bank herum. Das klappt natürlich nicht. Er trottet dann doch wieder Gras fressen. Einen zweiten Versuch unternimmt er noch. Frontal klappts natürlich nicht.
Hintenrum schleicht er sich diesesmal an: gaaanz unschuldig grast er um die Bank herum.Nee, mein Bester, das klappt so auch nicht, Pferde versuchen das auch so, und das kennen wir beide schon. Merklich enttäuscht zieht er dann doch wieder ab zum Gras.
Wir ziehen weiter. Oben treffen wir auf eine riesige Wiese.
Es geht immer durch die Berge und lichten Wald neben der alten Mulatteria. Die Wege sind steinig, es geht hoch und runter. Heute nerven die vielen Pferdebremsen und Fliegen kolossal. Wir werden zwar nicht gebissen, aber unseren armen Tommie fressen sie fast auf.
In der Ferne sehen wir Caporciano.Da liegt unser heutiges Ziel. Aber bis wir dort ankommen, werden wir noch einen ordentlichen Bogen schlagen müssen.
Über ein Feld (auf dem Tommie kein Maul voll nehmen darf) treffen wir auf einen Bauernhof. Neugierig laufen uns die Ziegen nach. Einen Schritt auf sie zu und sie laufen den Weg zurück davon. Gleich darauf kommen sie aber wieder um die Ecke zurück. Das ist zwar ganz lustig, wir wollen dem Bauern aber nicht erklären, warum er seine Ziegen in Caporciano abholen muss. Beherzt rennt Maria auf die Ziegen zu. Die stürmen in wildem Galopp davon – und bleiben dann auch weg.
Wie schon von Saskia in der Beschreibung angekündigt, ertrinkt das Agritourismo im Kitsch. Richtiger, unglaublicher Kitsch. Das Zimmer ist un-be-schreib-lich. Alptraum in pink und rot. Überall Plüschtierchen, aufgehängte Herzchen und Figürchen.Dafür ist das Bett riesig, quitscht aber bei jeder Bewegung wie ein haltender Güterzug. Auf dem Klo hält die Bürste ein Hündchen, der Seifenspender ist auch eines usw. usf.Überwältigend. Nun gut. Die Familie ist sehr nett, wenn auch sehr zurückhaltend, wir werden nicht nur mit einem Cappucchino begrüßt, dazu gibt es Kekse und zwei gefüllte Croissants. Im Speisesaal können wir dabei die beeindruckende Sammelleidenschhaft für Kitsch aller Art weiter bestaunen. Neben der Vitrinenwand voller Kitsch-Porzellan fehlt auch die obligatorische Dahli-Uhr über’m Kaminsims nicht. Und das Handwaschbecken auf der Toilette! Geht’s Euch besser selbst angucken.
Nachdem Tommie auf die Wiese gestellt und mit Wasser versorgt ist, durchstreifen wir Caporciano. Ein weiteres malerisches Dörfchen, hier in den Bergen.Na du bist aber niedlich „Miezmiezmiez“*höhöhö* ‚tschuldigung
Pünktlich zum Abendessen sind wir wieder im Agritourismo. Freundlich beginnt unser Abendessen mit einem Krug Wasser, einem Krug Wein und Prosciuto und Brot. Anschließend kommt Mozzarella und Tomate in Olivenöl. Uns hätte das schon gereicht. Aber wenn wir besser auf John Grishams Touchdown gehört hätten, wäre uns klar gewesen, dass es jetzt erst richtig los geht. Der nächste Gang schwebt ein: Tagliatelle. Damit ist es mit Pasta noch nicht vorbei, es kommen noch Ravioli. Wir platzen fast, hoffen das es vorbei ist, aber wir hören es in der Küche brutzeln. Es kommt der nächste Gang: Rinderfilets in einem Salatbett. Wir sind jetzt eigentlich bereit, um Gnade zu winseln. Doch es gibt auch ein Dessert. Wir sind bereit zu sterben, überfressen. Es war alles ausnahmslos unglaublich lecker, nur allein des Essens wegen lohnt es sich, hier vorbeizuschauen! Sterben ist nicht drin, wir schleppen uns auf einen nächtlichen Verdauungs-Spaziergang, bevor wir, begleitet von einem letzten Quietschen, ins Bett sinken.
(Maria, swg)